Die Abteilung „Agitation und Propaganda“ hat zugeschlagen

Stadtrat (3)
Nachfragen zur Kommunalpolitik
Der Erfurter Stadtrat musste heute Abend nachsitzen. Nach dem gestern Abend kurz nach 22 Uhr die Sitzung abgebrochen wurde ging es heute mit knapp 20 Tagesordnungspunkten weiter. 31 der 51 Stadträte diskutierten immerhin noch einmal zweieinhalb Stunden. Ergebnisoffen war die Stadtratssitzung keineswegs. SPD und Linke bilden inzwischen eine eigenwillige Symbiose aus Trotzigkeit und mangelnden Inovationswillen und beschränkt sich in der Regel darauf Abbzunicken, was Oberbürgermeister Bausewein (SPD) und Beigeordnete Thierbach (Linke) vorgeben. Völlig gleichgültig ist dabei wen es dann trifft. Gestern Abend waren zunächst die Tagespflegemütter Opfer der Trotzigkeit. Trotz fachlich anders lautender Empfehlung des Jugendhilfeausschusses lehnten SPD, Linke und Grüne den Antrag der CDU und Freien Wähler auf eine angemessene Erhöhung ab. 520 Euro wollten wir pro Kind erreichen, zu lediglich 470 Euro (also knapp 40 Euro mehr als bisher) waren die anderen bereit. Zwar zahlt das Land ab August monatlich zwischen 120 bis 170 Euro monatlich pro Kind in Tagespflege mehr als Zuschuss, aber die Differenz verbucht die Stadt lieber als willkommene Mehreinnahme. Ob es bei der Beschlussfassung zum Haushalt noch eine Erhöhung gibt bleibt abzuwarten, wir werden jedenfalls dafür eintreten. Heute waren sich die Rot-Roten nur bei einem Punkt uneinig. Bei der Zahlung des Begrüßungsgeldes für Studenten, die sich nach Erfurt ummelden, wollten die Linken nach Studiengängen selektieren. Den Studenten der Adam-Ries FH (anerkannte private Fachhochschule) ginge es doch so gut, dass sie dies nicht bräuchten, meinte eine linke Stadträtin. Glücklicherweise sahen dies zumindest einige der SPD-Stadträte anders und so setzten wir uns mit einem entsprechenden Änderungsantrag durch. Beim Parken in der Innenstadt ging es hingegen wieder um Ideologie pur. Autofahrer stören in dieser Stadt – SPD, Linke und Grüne meinen dies und handeln auch so. Dieses Mal ging es den Parkplätzen an den Kragen. Der Rathausparkplatz soll ebenso wie die Rathausbrücke für privaten Parkverkehr gesperrt werden. Man muss ja nicht Auto fahren… Parkplätze sind in Erfurts Innenstadt jetzt schon knapp, Ordnungshüter gibt es zu wenig oder sie sind dauerkrank um den ruhenden Verkehr zu ordnen und Leidtragende des Parkchaos sind Anwohner und Touristen. Überbieten konnten dies die Rot-Roten Genossen nur noch mit ihrem letzten Antrag des Tages. „Der Oberbürgermeister als Mitunterzeichner wird beauftragt, über die allgemein zugänglichen Medien der Stadtverwaltung (z.B. Internetauftritt oder Amtsblatt) in geeigneter Weise den Aufruf „Sozial ist Mehr Wert“ einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ lautete der linke Antrag. Im September hatte Gewerkschaftsfunktionäre sowie linke Kommunal- und Landespolitiker und etliche Sozialdemokraten einen Appell an die Bundesregierung unterschrieben. Ein heißer Herbst gegen den Sozialabbau wurde versprochen. Das war gelogen, heiß ist der Herbst nun gerade nicht und in den letzten Herbsttagen werden die Temperaturen auch kaum noch steigen. Also soll nun das Amtsblatt zu Propagandazwecke herhalten um die Stimmung wenigstens etwas warm zu halten. Blöd nur, dass sich dies so gar nicht mit der Neutralitätspflicht vereinbaren lässt. Vor wenigen Wochen lies dazu der Innenminister wissen: „Nach § 2 Abs. 1 Satz 5 Thüringer Bekanntmachungsverordnung kann das Amtsblatt neben öffentlichen Bekanntmachungen und sonstigen amtlichen Mitteilungen auch kurze Nachrichten aus dem Gemeindeleben, Hinweise auf Veranstaltungen und Anzeigen enthalten“.  Von Agitationspapieren ist dabei nicht die Rede! Mehr noch: „Der Oberbürgermeister unterliegt hierbei (im Amtsblatt) ebenso wie in seiner sonstigen Amtstätigkeit der parteipolitischen Neutralitätspflicht.“ Dies teilte der Innenminister nun ausgerechnet in Beantwortung einer Landtagsanfrage des Genossen Kuschel mit! Die stört keinen der mit reichlich juristischem Sachverstand gesegneten Stadträte von Linken und SPD und erst recht nicht den Oberbürgermeister. Also: Augen zu und durch, die Reihen dicht und die Genossenfaust kollektiv geballt! Der Antrag wurde beschlossen. Allerdings ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Ich habe eine kommunalaufsichtrechtliche Prüfung des Beschlusses beantragt und auch dafür bietet die Antwort auf die Genossen-Anfrage im Landtag eine Antwort. „Den Rechtsaufsichtsbeörden stehen gegenüber den ihrer Aufsicht unterliegenden Kommunen in Bezug auf die kommunalen Amtsblätter die rechtsaufsichtslichen Mittel nach den §§ 119 ff. ThürKO zu.“. Also bin ich mal gespannt was rauskommt, wenn mal nicht nur das Rechtsamt des OBs solche Beschlüsse prüft.

7 Gedanken zu „Die Abteilung „Agitation und Propaganda“ hat zugeschlagen“

  1. Zum Fischmarkt gelangt man mit drei Straßenbahnlinien. Ich verstehe nicht, warum sich Autos länger im Schritttempo am Rathaus vorbeizwängen sollen.

  2. Das Stadtgebiet Erfurt endet nicht am Wisenhügel und im Rieth sondern geht noch weiter und weil eine ganze Menge an Besuchern und Gästen des Rathauses aus den Ortsteilen der Landeshauptstadt kommen und da bekanntlicherweise in den Abendstunden die ÖPNV-Verbindungen nur noch sporadisch funktionieren

  3. Bis 00:30 Uhr fahren die Bahnen am Fischmarkt mindestens alle 10 Minuten. Eine Fahrkarte von den P+R-Plätzen ist preiswerter als jede Parkgebühr. Ich persönlich finde Innenstädte mit wenig/ohne Autoverkehr attraktiv – nicht nur wegen der abgasfreien Luft!

  4. Das ist leider unzutreffend. Die Straßenbahnen fahren zu den P+R-Plätzen in den Abendstunden, also beginnend ab 20 Uhr, nur alle 20 Minuten. Ich empfehle eine Testfahrt… Und die Aussage mit der Parkgebühr hält auch keiner näheren Prüfung stand. Ab 18 bzw. 20 Uhr sind die Parkautomaten nicht mehr in Betrieb. Ich finde die Erfurter Innenstadt attraktiv, mit und ohne Autos. Das eine hat mit dem andrern nichts zu tun, es sei denn man möchte es ideologisch betrachten.

  5. Am Fischmarkt fahren drei Linien je Richtung jeweils alle 20 Minuten! Alle 10 Minuten treffen sich am Anger Busse und Bahnen zum Umsteigen in alle Richtungen. Ich bin schon über das Testen hinweg und regelmäßig mit Bus und Bahn unterwegs. Vergleichen Sie mal „nur alle 20 Minuten“ mit dem Angebot in anderen Städten mit 200.000 Einwohnern ab 20 Uhr – so ein gutes Angebot findet man selten.

  6. Um Politik transparent zu machen, wäre eine Liste der Abgeordneten hilfreich, die für eine Abschaffung der Parkplätze gestimmt haben.
    Im nächsten Schritt hätte ich dann gern die Kandidaten unter den Parkplatzabschaffern aus dem Rathaus entfernt, die sich dem Rathaus mit dem Automobil nähern – sozusagen als politikhygienische Maßnahme (obwohl sicherlich jeder einzelne von denen eine Begründung hat, warum er Wasser predigt, jedoch Wein trinkt).
    Ich wohne am Rand der Innenstadt an der Kaufmännerkirche und habe ein Auto, das ich privat und geschäftlich nutze.
    Auto in der Innenstadt kann man sicherlich so oder so sehen. Ich bin eigentlich für fast jede Art der Reglementierung des Parkens in der Innenstadt offen. Stellt man es jedem frei, wann und wie lange er sein Auto abstellt, wird man den innerstädtischen Verkehr zum Erliegen bringen – das Problem mangelnder Kontrollen in letzter Zeit wurde oben ja schon angesprochen. Die Bewohnerparkplätze am Radisson-Hotel z.B. sind in letzter Zeit regelmäßig beKYFt und beSÖMt.
    Um es klar zu sagen: Ich muss nicht vor dem Haus parken, ich will das Auto aber vor dem Haus stehen haben, wenn ich es be – oder entladen will, bei Schnee und Eis fahre ich gern meine Mutter mal ein Stückchen. Wenn es schneit, dauert es ja neuerdings gern mal ein paar Tage, bis die Straßenbahnhaltestellen auf dem Anger für einen älteren Menschen halbwegs sicher erreichbar sind. Ich begreife nicht, warum die Stadt den Fußgängerbereich da so verkommen lässt.
    Die Innenstadt hat so viele Funktionen, dass ich es für kleinkariert halte, Autoverkehr generell abschaffen zu wollen. Ich als Innenstädter brauche das Auto zum Beispiel, wenn ich in die Läden fahre, die sich am Stadtrand angesiedelt haben, nicht zuletzt, weil es in der Innenstadt zu wenig Parkplätze gibt. Wieso macht man es nicht einfach teuer, das Parken in der Innenstadt – meinetwegen in den begehrten Bereichen auch für die Bewohner (also auch vor meiner Tür) ?
    Und Bußgelder sollten doch so einjustiert sein, dass die Stadt im Zweifel an den Sündern verdient und jedenfalls nicht überlegen muss: „Kann ich mir Kontrollen leisten?“

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