Versteckspieler Marcus Urban

Beim Fanprojekt in Jena
Als Ansprechpartner der Thüringer Landesregierung für das Thema Antidiskriminierung bin ich gemeinsam mit der Landeszentrale für Politische Bildung in Thüringen Veranstalter der Lesungsreihe mit Markus Urban. In Gera, Jena, Weimar und Erfurt liest Marcus Urban dabei aus seinem Buch und diskutiert anschließend mit Trainern und Fußballern zum Thema Homophobie im Fußball. Bei der heutigen Buchlesung in Jena waren der Cheftrainer des FC Carl Zeiss Jena Andreas Zimmermann, Mannschaftskapitän Tino Berbig und Matthias Stein vom Fanprojekt Jena die Gesprächspartner der von Kathrin Schuchardt moderierten Podiumsdiskussion. Großes mediales Interesse begleitet die Lesereihe. Der MDR und Jena TV waren vor Ort und auch in der Printpresse fanden sich mehrere Artikel im Vorfeld der Veranstaltung.Bei meiner Einführung in den Abend habe ich deutlich gemacht, warum das Engagement gegen Homophobie im Fußball so wichtig ist. Von den sechs Diskriminierungsgründen die das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, nennt ‑ ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität – machen in der Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die Beschwerden und Anfragen wegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität nur wenige Prozent aus (4,8 %, nur im Bildungsbereich: 5,8%). Dennoch zeigt gerade dieser Bereich, wie weit wir noch vom Ziel einer diskriminierungsfreien Gesellschaft entfernt sind. Offen homophobe Äußerungen findet man zwar eher in der islamischen Welt und in südlichen Ländern, die stärker von einer Macho-Kultur geprägt sind, aber die Vorbehalte gegen Homosexuelle sind auch in unserer Gesellschaft latent sehr stark vorhanden.
Mit Marcus Urban und Cheftrainer Andreas Zimmermann
Wie sonst ist es zu erklären, dass sich bisher keine aktiven Profispieler der Fußball-Bundesliga geoutet haben? Das geschieht nicht nur aus Sorge vor dummen Sprüchen unter der Dusche – „Ach, jetzt muss man ja aufpassen, wenn man sich nach der Seife bückt“ – sondern aus der Angst vor den massiven Anfeindungen, vor dem enormen psychischen Druck, mit dem gerade in der Fußballwelt gerechnet wird. Eine Welt, die manche anscheinend für das letzte Reservat der echten Kerle halten. Wir wissen, dass in dieser Vorstellungswelt Homophobie kein isoliertes Phänomen ist. Aus den Untersuchungen des Soziologen Wilhelm Heitmeyer zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und aus den Analysen des Thüringen-Monitors wissen wir, dass wir es mit einem zusammenhängenden Einstellungsmuster zu tun haben, in welchem sich sehr häufig auch Rassismus und Sexismus finden. Einstellungen, mit denen die eigene Person aufgewertet werden soll, indem man andere Menschen abwertet. Solange es uns nicht gelingt, diese Einstellungsmuster Stück für Stück aufzubrechen, werden wir einer diskriminierungsfreien Gesellschaft nicht wesentlich näher kommen. Jemand, der dies versucht, ist Marcus Urban. Der Verlag wirbt für sein Buch über das Tabu Homosexualität im Profifußball unter anderem mit den Worten:
Marcus Urban
„Marcus Urban bricht jetzt das Schweigen. Urban galt (damals noch unter dem Namen seines Stiefvaters, Schneider) in den achtziger Jahren als eines der größten Talente des DDR-Fußballs und spielte im Team von Rot-Weiß Erfurt. Seinerzeit besuchte er die Kaderschmiede der DDR-Nachwuchskicker, kam mit späteren Nationalspielern wie Bernd Schneider in Kontakt. Fußball war der Fixpunkt in seinem Leben, zugleich aber auch ein Gefängnis. Während seiner Karriere verheimlichte er seine Homosexualität, weil er um seine Zukunft als Fußballer fürchtete. In dem bewegenden Buch schildert er diese schwierige Situation und seine seelische Zerrissenheit, aus der er sich erst nach dem Ende seiner Karriere befreite. Marcus Urban will dazu beitragen, dass dieses letzte Tabu im Fußball fällt, weitere Spieler seinem Beispiel folgen und Homosexualität auch in diesem vermeintlich „männlichen“ Sport als etwas ganz Normales betrachtet wird.“ Der Begriff Kaderschmiede dürfte heute zwar bei den drei Thüringer Sportgymnasien etwas verpönt sein, aber das Thema Homosexualität im Sport scheint immer noch ein schwieriges zu sein. Jedenfalls war es an keiner der drei Schulen möglich, eine Lesung mit Marcus Urban zu organisieren. Obwohl das ein Staatssekretär des Thüringer Bildungsministerium im Thüringer Landtag schon offiziell verkündet und begrüßt hatte. Eine Lesung mit Marcus Urban ist etwas Besonderes – in Jena waren viele interessierte Gäste aus der Fanszene dabei. Morgen Abend in Weimar und Donnerstag in Erfurt hoffen wir wieder auf ein interessiertes Publikum. Bilder der Buchlesung  

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