Mindestlohn bei der Kindertagespflege?

 
Die Stadtratsanfrage zu den Tagespflegemüttern
Derzeit werden in Erfurt 315 Kinder (in der Regel im Alter unter zwei Jahren) von 91 Tagespflegemüttern betreut. Bezahlt werden die Tagespflegemütter vom Jugendamt, das wiederum von den Eltern die Elterngebühren erhält und zudem vom Land einen Zuschuss pro Platz. Seit Jahren kritisiert die CDU-Stadtratsfraktion, dass die Vergütung der Tagespflegemütter weit unter dem Mindestlohn liegt. Aktuell erhalten die Tagespflegemütter pro Kind 496,80 Euro im Monat. Davon sind 221,40 Euro für die Betreuung und 275,40 Euro für die Sach- bzw. Betriebskosten. Wenn die 221,40 Euro die als Einkommen zur Verfügung stehen durch die durchschnittlich 180 Monatsarbeitsstunden teilt, bekommen die Tagespflegemütter pro Kind/pro Stunde 1,23 Euro. Drei bis fünf Kinder werden betreut – also ein Stundenlohn von 3,69 Euro bis maximal 6,15 Euro. Im vergangenen Jahr hatten wir dazu einen Stadtratsantrag eingebracht, der die Erhöhung pro Platz/Monat um 50 Euro vorsah. Dieser Vorschlag erhielt zwar viel Zustimmung im Jugendhilfeausschuss, aber keine Mehrheit im Stadtrat. In der Stadtratssitzung vom 16. April 2014 erklärte der Oberbürgermeister zum Thema Erhöhung der Vergütung von Tagespflegemütter: „Wir halten mal fest, alle sind sich der Problematik bewusst, alle wissen, dass wir es lösen müssen, uns ist auch allen klar, egal was heute beschlossen wird, dass dieser Stadtrat es nicht mehr lösen kann, also muss es der nächste machen und mit dem Haushalt 2015. Das kann im Protokoll stehen, da reden wir im Herbst drüber und machen es entsprechend so.“ Zum 1. Januar 2015 trat nun eine neue Entgeltordnung in Kraft, nach der die Eltern zum Teil deutlich mehr bezahlen müssen. Davon kommt jedoch kein Cent bei den Tagespflegemüttern an denn bisher liegt jedoch noch keine Vorlage für die Erhöhung der Vergütung von Tagespflegemüttern seitens der Stadt Erfurt vor. Vor diesem Hintergrund habe ich in der letzten Stadtratssitzung angefragt: 1.  Wann beabsichtigt die Stadtverwaltung eine Drucksache vorzulegen, die eine Erhöhung der Vergütung von Tagespflegemüttern vorsieht? 2. Welchen Inhalt wird eine entsprechende Vorlage der Verwaltung haben? 3. Wird diese Drucksache am 01.01.2015 in Kraft treten, wenn nein, wird diese rückwirkend zum 01.01.2015 in Kraft treten wenn sie dann beschlossen ist? Die Antwort darauf war knapp und wenig zufriedenstellend: Die Verwaltung wird keine Drucksache vorlegen. Die Erhöhung der Vergütung für Tagespflegemütter um 50 Euro wurde seitens des Jugendamtes in die Planung des Haushaltes 2015 eingearbeitet. Mit Beginn des Haushaltsjahres 2015 liegt keine bestätigte Haushaltssatzung 2015 vor. Infolgedessen greifen die Regelungen nach § 61 ThürKO. Im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung wird die geplante Erhöhung nicht realisiert. Erst nach Vorlage einer bestätigten Haushaltssatzung 2015 kann eine Aussage darüber getroffen werden, ob und ab wann die geplante Erhöhung der Vergütung der Tagespflegemütter umsetzbar ist.“ Soweit zur unerfreulichen Vorgeschichte. In der heutigen Jugendhilfeausschusssitzung habe ich das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen lassen. Seit dem 1. Januar 2015 gilt nunmehr auch das Mindestlohngesetz, deshalb finde ich es skandalös, dass die Stadt in ihrem Verantwortungsbereich weiter hinnimmt, dass die Tagespflegemütter unterhalb dieser Grenze bezahlt werden. In mehreren Städten gibt es bereits gerichtliche Auseinandersetzungen und Tagespflegemütter waren dabei erfolgreich. Es bleibt die Frage, ob es erst in Erfurt soweit kommen muss.  Den Verweis darauf, dass Tagespflegemütter „Selbstständige“ sind und damit nicht unter das Mindestlohngesetz fallen halte ich für unzutreffend. In Erfurt erhalten die Tagespflegemütter keine Zahlungen von den Eltern sondern vom Jugendamt. Insofern ist das Jugendamt Auftraggeber und einziger Vertragspartner der Tagespflegemütter – also nach meiner Auffassung mindestens moralisch dafür verantwortlich, dass dafür eine angemessene Vergütung erfolgt. Ich habe um einer schriftliche Würdigung zum Thema Mindestlohn gebeten und das Thema wir in der nächsten JHA-Sitzung erneut aufgerufen. Ich werde nicht locker lassen, bis die Tagespflegemütter vernünftig vergütet werden!

6 Gedanken zu „Mindestlohn bei der Kindertagespflege?“

  1. Dass eine vernünftige Vergütung sein muss, ist ja richtig. Diese ist in der Tat noch längst nicht überall gegeben und man muss mit aller Kraft dafür kämpfen.

    Doch mir erschließt sich immer noch nicht, was eine Vergütung für KTPP, die ja nun einmal selbständig tätig sind, mit dem Mindestlohn zu tun hat.

  2. Die Frage ob Tagespflegemütter tatsächlich als Selbständige einzuordnen sind, halte ich im vorliegenden Fall für nicht abschließend geklärt. Die Erfurter Tagespflegemütter werden ausschließlich vom Jugendamt für ihre Tätigkeit bezahlt. Ich habe zu diesem Thema um eine rechtliche Würdigung gebeten. Darüber hinaus halte ich es für befremdlich, wenn die Kommune sich der Leistungen der Tagespflegemütter zur Erfüllung des Rechtsanspruchs gemäß KitaG bedient, aber nicht für eine angemessene Vergütung sorgt (oberhalb des Mindestlohnniveaus). Gerade Rot-Rot-Grün sollte da mit positiven Beispiel voran gehen und nicht nach Ausreden suchen. Zudem bezahlen die Eltern bis zu 400 Euro/Monat und zusätzlich erhält die Stadt Zuschüssen des Landes.

  3. Die alleinige Bezahlung durch das Jugendamt spricht in der Tat nicht für eine “echte“ Selbständigkeit. Das am 01.08.2014 in kraft getretene Kibiz hier in NRW beschert genau dieses Problem wg. des sog. Zuzahlungsverbots. Meiner Meinung nach ist das Kibiz auch nicht mit dem GG vereinbar, weil Selbständigkeit nun einmal immer auch beinhaltet, seine Preise selbst festzulegen.

    Wie könnte Ihrer Meinung nach der Mindestlohn für KTPP umgesetzt werden? 8,50 pro Stunde für das erste betreute Kind und für jedes weitere dann nichts mehr? Oder für jedes weitere dann weniger?

    Würden die KTPP dann bei den Kommunen angestellt?

    Die Vergütung ist ein sehr komplexes Thema, das ein hohes Potenzial an Problemen mit sich bringt. Liefe es schlussendlich darauf hinaus, dass KTPP Angestellte werden, hätte diese Tätigkeit für mich ein großes Stück Attraktivität verloren.

  4. Wenn die Tagespflegemütter die Elternbeiträge direkt von den Eltern bekommen und den Betreuungsvertrag mit ihnen haben, wären sie zweifellos Selbständig. Darüber hinausgehende Zuschüsse könnten immer noch vom Jugendamt gezahlt werden und mit den unterschiedlichen hohen Elternbeiträgen verrechnet werden.
    Beim jetzigen Verfahren hatte die CDU vor einem Jahr vorgeschlagen, die Vergütung pro Kind um 50 Euro zu erhöhen (einige Städte machen das so). Aktuell denkt das Erfurter Jugendamt über eine stundenweise Vergütung für die Tagespflegemütter nach – aber auch dies ist umstritten.
    Ich möchte auch nicht, dass die Tagespflegemütter kommunale Bedienstete werden.

  5. Eine stundenweise Vergütung ist umstritten? Warum das? Hier wird je Stunde und Kind bezahlt. Gestaffelt nach Qualifikation. Also a) ohne Bundeszertifikat, b) mit Bundeszertifikat und c) mit Erzieherausbildung oder höher.

    Durch entsprechende Fortbildungen sowie Berufserfahrung kann man die höchste Stufe erreichen. Hier wurde von 3,67 Euro auf 4,50 – 5,00 – 5,50 Euro gestaffelt erhöht. Rückwirkend zum 01.08.2014, weil das Kibiz seitdem die Zuzahlungen durch Eltern verbietet.

  6. Ich informiere mich gerade über die arbeitsrechtlichen Bedingungen eine Kindertagespflegeperson, und je mehr ich dazu recherchiere, umso mehr nehme ich wieder Abstand von einer solchen Tätigkeit.

    Bei meinem ersten Gespräch mit dem Jugendamt ist mir sofort aufgefallen, dass immer wieder betont wurde, dass eine Tagesmutter selbständig bzw. freiberuflich arbeite. Gleichzeitig wurde mir gesagt, dass ich als Tagesmutter meinen monatlichen Lohn vom Jugendamt bekomme, und dass das Jugendamt auch meine Krankenversicherung hälftig bezahlen würde. Auch die zu betreuenden Kinder würden über das Jugendamt vermittelt. Allerdings sollte ICH als Selbständige einen Betreuungsvertrag mit den Eltern abschließ, Auch hieß es immer wieder, dass letztendlich ICH selbst die Bedingungen vorgeben kann. Gleichzeitig wurde mir aber eine Tabelle aus dem Amtsblatt des Saarlandes vom 10.09.2009 vorgelegt, aus der ich die nach Stunden gestaffelten mtl. Tagespflegegelder pro Kind entnehmen könne.

    Ich bin keine Juristin, aber ich habe ein akademisches Studium und als ehemalige freie Journalistin des WDR Köln habe ich gelernt, mich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten.

    Hier liegt meines Erachtens ein großer Widerspruch vor. Eine beim Jugendamt registrierte Tagesmutter erhält ihre Tagespflegekinder ausschließlich vom Jugendamt. Auch die monatlichen „Honorare“ werden ausschließlich vom Jugendamt angewiesen.

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