„Stadtwerke in der Krise?“

Zahlreiche Bürgermeister und Vertreter der 31 Thüringer Stadtwerke sowie Gäste aus Sachsen waren bei der gestrigen Eröffnungsveranstaltung des Erfurter Büros der invra Treuhand AG zu Gast im Erfurter Kaisersaal. Im Rahmen eines Kamingesprächs habe ich mit Olaf Möller, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, Frank Kuschel, Kommunalpolitischer Sprecher der Fraktion die Linke im Thüringer Landtag und Oberbürgermeister Andreas Bausewein über Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen für die Politik zur Sicherung der Stadtwerke diskutiert. Ausgehend von der schwierigen Situation der Stadtwerke Gera waren wir uns an erstaunlich vielen Punkten über die Parteigrenzen hinweg einig. Die Finanzsituation von Bund, Land und Kommunen steht derzeit im Mittelpunkt nahezu jeder politischen Diskussion. Je nach dem mit welchem Politiker man diskutiert, ist der geneigt jeweils einer anderen Ebene die Schuld an der eigenen finanziellen Schieflage zuzuweisen. Dies geht einher mit der Forderung nach mehr Geld bzw. nach Entlastungen. Ich stimme in diese Forderungen nicht ein, sondern weise darauf hin, dass jeder auf seiner Ebene seine Hausaufgaben erledigen muss – jeder an seinem Schreibtisch. Kommunen sind aktuell die einzige Gebietskörperschaft, die in ihrer Gesamtheit (also alle zusammen) einen jährlichen Überschuss erzielt. Dennoch gibt es in vielen Orten Probleme. Häufig geht es um Einnahmedefizite – also fehlende eigene Steuereinnahmen. Häufig aber auch um Ausgabeprobleme, wenn sich Kommunen vermeintlich zu viel leisten. Und manchmal kommt auch ein problematisches Management bei eigenen unternehmerischen Leistungen hinzu. Gestern ging es dabei nicht um kommunale Krankenhäuser oder Tourismusgesellschaften sondern um die Stadtwerke. Die Kommunen sind es die die 100prozentige Verantwortung für ihre Stadtwerke tragen, deshalb sind sie es auch die unmittelbar davon betroffen sind, wenn Stadtwerke in eine Krise geraten – Gera hat uns dies in besonderer Form vor Augen geführt. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger der 500 größten regionalen Energieversorger geht es rund 100 Stadtwerken noch schlechter, als den in Insolvenz gegangenen in Gera. Seit 2004 sei die Profitabilität der regionalen Energieversorger um 30 Prozent gesunken. Von den 900 Stadtwerken in Deutschland sind rund 300 in der Stromerzeugung engagiert. Natürlich spüren sie direkt die Auswirkungen der Energiewende, derzeitigen Marktpreise sind der Grund für die Probleme der Gaskraftwerke, erneuerbare Energien verdrängen das vergleichsweise CO2-arme Erdgas. Die Stadtwerke haben in der Regel einen klaren Versorgungsauftrag, die Daseinsfürsorge – oder auch das Kerngeschäft der Stadtwerke. Wirtschaftlich gesehen wäre häufig nur der Bereich der Energieversorgung, Wasser- und Abwasser sowie die Abfallentsorgung sinnvoll. Aber es kommt noch viel mehr hinzu, der ÖPNV, Schwimmbäder, in Erfurt die EGA, das Projekt Buga 2021, das Tierheim und einige andere Dinge, die die Kommunalpolitiker gerne den Stadtwerken übertragen – möglicherweise auch Sportstätten oder Multifunktionsarenen. Hoch defizitäre Bereiche werden aus dem Haushalt der Kommune entfernt in der Hoffnung sie wären nicht mehr da. Aber sie bleiben da und die Defizite müssen innerhalb der Stadtwerke ausgeglichen werden – kommunale Zuschüsse gibt es in der Regel nur noch selten. Dies bringt Stadtwerke in die Schieflage oder schmälert zumindest beträchtlich den erwarteten Gewinn. Dieser Gewinn wird sehr gerne als Gewinnabführung in den kommunalen Haushalt eingeplant und das Klagen setzt ein, wenn er nicht kommt. Den Kommunen fehlen durch notleidende Stadtwerke wichtige Einnahmen, z.B. für die häufige Quersubventionierung des ÖPNV. Wenn dann noch weitere Zuschüsse erforderlich werden, verringert dies den finanziellen Spielraum dramatisch. Gutes Management in Stadtwerken ist erforderlich um dem entgegen zu wirken (Zielvorgaben, Gehaltsstruktur, Organisationsstruktur, Beteiligungen). Die Geschäftsfelder von Stadtwerken haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich ausgeweitet, so fungiert die SWE Stadtwerke Erfurt GmbH als Management-Holding für 15 Tochterunternehmen, von Stromversorgung über den Betrieb von Parkhäusern und Bädern bis hin zu IT-Services. Eine durchaus zu diskutierende Frage ist, ob dafür ausreichende und qualifizierte Aufsicht über die Tätigkeit der Stadtwerke immer vorhanden ist, oder anders gefragt, sind Kommunalpolitiker per se qualifiziert für Aufsichtsrat? Drei Dinge sind für mich als Kommunalpolitiker wichtig: 1. Stadtwerke sind keine volkseigenen Kombinate, wo man alles hineinpacken kann und dann zusätzlich noch politisch reinregiert. 2. Kommunale Prestige-Projekte (um nicht zu sagen „Größenwahn-Projekte“) dürfen nicht zu Lasten der Wirtschaftlichkeit von Stadtwerken gehen. 3. Die unternehmerische Tätigkeit der Stadtwerke muss qualifiziert begleitet werden. Die Aufsichtsgremien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und im Wesentlichen das Unternehmenswohl im Blick haben. Es gibt in Deutschland rund 900 Stadtwerke. Die übergroße Anzahl leistet eine ausgesprochen erfolgreiche Arbeit. Auch unsere Erfurter Stadtwerke stehen gut da und befinden sich keinesfalls in einer Krise. Als Kommunalpolitiker müssen wir dafür sorgen, dass dies auch künftig so bleibt!

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