Die Nordhäuser Straße und die rot-rot-grüne Beratungsresistenz

 
Leider waren die Erdbeeren der einzige positive rot-grüne Aspekt der gestrigen Stadtratssitzung
CDU spricht sich für einen Radweg und günstigere Planungsvariante aus Das dominierende Thema der gestrigen Stadtratssitzung war die Nordhäuser Straße. Mit einem Einwohnerantrag meldete sich in der Stadtratssitzung am 27. Mai 2015 die Bürgerinitiative „Nordhäuser Straße“ zu Wort. Hintergrund ist die komplette Vernachlässigung der Anwohner (sowohl Privat-, als auch Geschäftsanlieger) durch die Stadtverwaltung. Zwar wurde besonders in den letzten Jahren viel über Bürgerbeteiligung gesprochen und entsprechende Vorschläge gemacht, wie man diese verbessern könnte. Allerdings scheint die Nordhäuser Straße das Erfurter Beispiel schlechthin zu bleiben, wie man Bürgerbeteiligung nicht macht. Die Initiative sammelte deshalb für den Antrag zahlreiche Unterschriften, um sich auf diese Weise öffentlich Gehör zu verschaffen und um Alternativen zum Planungsentwurf der Verwaltung für die Nordhäuser Straße aufzuzeigen. Mit der Ablehnung des Bürgerantrages bewies die rot-rot-grüne Mehrheit wieder einmal mehr akute Engstirnigkeit und Beratungsresistenz gegenüber sinnvollen und fachlich erwägenswerten Anliegen. Die CDU-Fraktion war aus fachlichen Gründen von vornherein gegen den überteuerten (ca. 11 bis 17 Mio. Euro) Entwurf der Stadtverwaltung für die Nordhäuser Straße (mittlerer Grünstreifen, Zusammenlegung von Straße und Schiene, Enteignung der Vorgärten, unsicherer Fahrradweg, Staupotential, schlechtes Durchkommen der Rettungsdienste etc., die CDU-Fraktion berichtete ausführlich dazu) und unterstützt daher auch die Bürgerinitiative. Der vorliegende Verwaltungsentwurf spielt die verschiedenen Verkehrsteilnehmer gegeneinander aus. In Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative wurde deshalb ein Alternativentwurf (weiterhin Trennung von Straße und Schiene, kein Mittelstreifen, Radweg) für die Nordhäuser Straße skizziert, sodass sowohl Anwohner, als auch alle Verkehrsteilnehmer (inklusive Radfahrer!) Berücksichtigung fänden. Darauf verwies unser verkehrspolitische Sprecher Jörg Kallenbach erneut in seiner Rede vor dem Stadtrat wider die Beratungsresistenz der Kooperationsparteien Linke, SPD und Grüne. Kallenbach erklärte außerdem ausdrücklich, dass die CDU-Fraktion (genauso wie auch die Bürgerinitiative) mit der Ablehnung des Verwaltungsentwurfs für die Nordhäuser Straße nicht gleichzeitig den Radweg ablehnt. Ganz im Gegenteil: Die CDU-Fraktion befürwortet den Radweg sogar. Er ist in dem Alternativvorschlag der CDU und der Bürgerinitiative ganz klar verankert. Trotz dieses deutlichen Bekenntnisses waren die Redner von Rot-Rot-Grün immer noch der Auffassung, die CDU wäre gegen einen Radweg. Wahrscheinlich mangelte es ihnen in der Sitzung an Konzentration, um den Ausführungen Kallenbachs im Detail zu folgen, sodass dieses kleine, aber brisante Detail offenbar überhört wurde. Sollte es nicht der Konzentrationsmangel gewesen sein, war es vielleicht doch der ideologisch verankerte Mangel an Eingeständnissen, dass sich auch die CDU-Fraktion entgegen der rot-rot-grünen Erwartungen gegenüber der CDU für einen Radweg einsetzen könnte. Es besteht generell offenbar der Irrglaube, dass die Neuschaffung eines Radweges in der Nordhäuser Straße ausschließlich an den teueren Entwurf der Stadtverwaltung gekoppelt sei. Ein Radweg kann tatsächlich auch in einen deutlich günstigeren Planungsentwurf integriert werden, ohne dass dabei Gleise, Strom und Versorgungsleitung mit viel Aufwand verlegt werden müssten. In Anbetracht der Haushaltslage ist es ohnehin aberwitzig, auf dem derzeitigen Entwurf zu verharren. Selbst wenn noch zusätzliche Mittel für weitere Planungen verwendet werden müssten, so würde die Alternative der CDU und der Bürgerinitiative inklusive der zusätzlichen Planungsleistungen voraussichtlich immer noch unter den derzeit veranschlagten Kosten liegen. Beispielhaft sei an dieser Stelle auch auf die Debatte bezüglich des Neubaus der Rathausbrücke verwiesen: Die dortige Bürgerinitiative setzte sich für den Erhalt der Bäume im Umfeld ein. Die Stadtverwaltung lehnte auch den Entwurf dieser Bürgerinitiative mit der Begründung ab, dass der Erfurter Haushalt den vermeintlich teuren Erhalt der Bäume im Zuge der Neubauarbeiten nicht hergibt. Dieses Argument der knappen Kassen verwendet die Verwaltung jedoch offenbar nur dann, wenn es ihr von der Sache her gerade Recht kommt. Im Falle der Nordhäuser Straße legte die Bürgerinitiative nun im Vergleich zum Verwaltungsentwurf einen haushaltsfreundlicheren Entwurf vor. Theoretisch entspräche dies der Argumentation der Verwaltung hinsichtlich der Bäume an der Rathausbrücke, jedoch ist diese Argumentation im Zusammenhang der Nordhäuser Straße hinfällig. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Man spricht hier auch von Willkür – so wird es jedenfalls mittlerweile von zahlreichen verärgerten Bürgern wahrgenommen und zu Recht ausgesprochen. Sollte der Entwurf der Verwaltung tatsächlich in der aktuellen Form umgesetzt werden und sollte es dabei zu (Teil-)Enteignungen der Grundstücke der Anwohner kommen, so wie es der Baubeigeordnete Spangenberg unverfroren verkündete, hat die Stadt voraussichtlich mit einer Klagewelle zu rechnen, die sich zeitlich soweit hinziehen würde, dass das Ziel, die Nordhäuser Straße bis zur BUGA 2021 fertig zu stellen, wohl kaum erreicht werden könnte. Neben zusätzlichen hohen Kosten hätte die Stadt dann eine unfertige Baustelle auf einer der wichtigsten Zufahrtsstraßen zur Innenstadt. Im Rahmen der BUGA wäre dies wenig repräsentativ. Man kann hier vergleichsweise an das Großprojekt Flughafen Berlin-Brandenburg denken. Der Verwaltungsentwurf rückt des Weiteren relativ nah an die Häuserfronten der Nordhäuser Straßen heran (daher der Enteignungserlass des Beigeordneten Spangenberg). Besorgte Anwohner erinnerten jedoch an die Luftangriffe des zweiten Weltkriegs in Erfurt. Die wenigen Bombentreffer landeten u.a. in der Nordhäuser Straße und berührten Hauswände und Fundamente an einigen Stellen empfindlich. Heute stützen der Hang und zusätzliche Wände die betroffenen Gebäude. Die geplante Nähe des Verwaltungsentwurfes zu diesen Gebäuden birgt erhebliche Gefahr hinsichtlich der Stabilität einiger Häuser. Auch aus diesem Grund muss der Verwaltungsentwurf für die Nordhäuser Straße dringend überarbeitet werden. Weitere Eckpunkte der Rede Jörg Kallenbachs in der Stadtratsitzung:
  • die derzeitige Verkehrsaufteilung der Nordhäuser Straße ist optimal (auch städtebaulich)
  • Radfahrer brauchen ebenfalls sicheres Angebot – andere Verkehrsteilnehmer dürfen nicht dagegen ausgespielt werden
  • die Trennung von ÖPNV und Individualverkehr ist notwendig zur Gewährleistung eines fließenden ÖPNVs; Zusammenlegung wäre eine Verschlechterung der Verkehrsführung (vgl. Darmstadt mit diesbezüglich grenzwertigen Erfahrungen bei geringerem Verkehrsaufkommen als in der Nordhäuser Straße)
  • Staus entstehen trotz Dosierungsampel – nur an anderen Stellen mit der Folge, dass ÖPNV und Rettungskräfte nicht durch kommen, außerdem steigt die Feinstaub- und die Abgasbelastung
  • mit dem Verwaltungsentwurf wird die Anlieferung für Geschäfte schwierig, ebenso Mangel an Parkmöglichkeiten für Kundschaft à Existenzgefährdung und Gefährdung von Arbeitsplätzen
  • mit dem Verwaltungsentwurf müssen zahlreiche Bäume gefällt werden
  • Radfahrer aus dem Norden nutzen den Gera-Radweg, die Nordhäuser Straße wäre ein Umweg
Der Oberbürgermeister versuchte, das gekenterte Boot noch einmal herum zu reißen, und schlug für den Sommer eine Bürgerversammlung vor, um drei Alternativen für die Nordhäuser Straße zu diskutieren. Warum schlug er dabei jedoch nicht vor, den Vorschlag der Bürgerinitiative zu beraten? Darauf habe ich in meinem Redebeitrag ausdrücklich hingewiesen. Es bestehen deutlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Oberbürgermeisters. Ähnlich wie bei der Rathausbrücke wäre die Bürgerbeteilung wahrscheinlich auch hier vordergründig als Bürgerbeschallung zu verstehen, ohne den Bürgern dabei wirklich zuzuhören. Ein ähnliches Glaubwürdigkeitsproblem hat der Oberbürgermeister auch bei seinem Versprechen, alle Kitas sanieren zu wollen. Die dafür vorgesehene Frist wurde bereits mehrfach verschoben. Selbst die neue Frist im Jahr 2018 ist nicht mehr zu halten. Hinsichtlich der Bürgerbeteiligung liegen dem Stadtrat zudem bis heute keine Ergebnisse aus verschiedenen Beratungen mit Bürgern vor. Wir sind überzeugt davon, dass die mangelnde Informationspolitik der Verwaltung das derzeitige schlechte Stimmungsbild bei den Erfurtern erheblich mit verursachen. Die CDU-Fraktion plädiert daher künftig für transparente und ergebnisoffene Diskussionen, ohne dass dabei mehr oder weniger unterschiedliche Planungsvarianten aufgetischt bzw. diese mit einem Alleingültigkeitsanspruch versehen werden. Die jetzige Diskussion zu den Anträgen der Bürgerinitiative Nordhäuser Straße hat leider erneut auf dramatische Weise gezeigt, dass sowohl die Stadtverwaltung selbst, als auch das rot-rot-grüne Kooperationsgebilde für eine angemessene Bürgerbeteiligung noch nicht bereit sind, obwohl die Zeichen für eine Verbesserung der Bürgerbeteiligung in Erfurt auf Alarm gestellt sind.

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