Erdogan ist schneller beleidigt als Li Peng

Heute Thema im ZDF Mittagmagazin
Heute Thema im ZDF Mittagmagazin
„Erdogan stellt Strafantrag gegen Böhmermann“ so lautete heute die Schlagzeile einiger Zeitungen und angesichts der Diskussion fragt man sich schon, ob dies die vordringlichste Meldung der letzten Tage ist. Seit einigen Tagen äußert sich nahezu jeder Politiker, Journalist oder Satiriker zu einem Vorgang, der eher banal ist. Das auslösende Gedicht im ZDF „Neo Magazin Royal“ vom weitgehend unbekannten Satiriker Jan Böhmermann hat kaum jemand im Original gesehen – jetzt ist es in aller Munde und jeder hat eine Meinung dazu. Bis heute Mittag hatte mich das Thema maximal am Rande interessiert. Ein Anruf der ZDF-Redaktion hat mich aber dann daran erinnert, dass doch da vor 21 Jahren mal etwas war. Damals berichte das ZDF-Länderjournal über einen Vorgang, der schon im Sommer 1994 seinen Ursprung hatte. Anfang 1995 hatte ich ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Erfurt am Hals. Am 7. Juli 1994 demonstrierte die Junge Union Thüringen in Weimar gegen den chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng. Die Menschenrechtsverletzungen in China hatten uns auf die Straße getrieben und die Intensität und Wortwahl unserer Demonstrationsaussagen führten zu Handeln der Staatsanwaltschaft. Nach der umfänglichen Sichtung der Ton- und Bilddokumente war ich als einer der „Rädelsführer“ als damaliger Vorsitzender der Jungen Union Thüringen fällig. Gemäß § 103 des Strafgesetzbuches wurde gegen mich und die ehemalige Landtagsabgeordnete Garbe ermittelt. Da ich zwischenzeitlich Bundesgeschäftsführer der Jungen Union in Bonn geworden war, war es auch ein medial interessantes Thema. Mein damaliger Anwalt Joachim Titz erklärte damals im ZDF die Rechtslage zu den relevanten Paragraphen: § 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten (1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. § 104a Voraussetzungen der Strafverfolgung Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Letzterer Paragraph führte schließlich zur Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft Erfurt. Ich hatte Glück, denn es gab kein Strafverfolgungsersuchen der Chinesen und auch keine Ermächtigung der Bundesregierung zur Strafverfolgung. Strittig wäre auch gewesen ob Li Peng die Schmähkritik bzw. Beleidigungen objektiv hätte zur Kenntnis nehmen können – schließlich hatte die Polizei am 7. Juli 1994 die Demonstranten weiträumig abgedrängt. Bei Böhmermann ist das nun offensichtlich in Punkt 1 und 3 anders. Erdogan nimmt es anderes als Li Peng „persönlich“ und hat die vermeintliche Beleidigung wohl auch umfänglich zur Kenntnis genommen. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug und muss über eine Ermächtigung zur Strafverfolgung entscheiden. Das ZDF hat heute im Mittagmagazin dazu einen Beitrag gebracht, der auch auf Thüringen 1994/1995 Bezug nahm.

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