Haupt- schlägt Ehrenamt

Der umstrittene Sitzungsplan
Der umstrittene Sitzungsplan
Mit welcher Unverfrorenheit ehrenamtlichen Politikern durch hauptamtliche Politiker sowie der Erfurter Stadtverwaltung vor den Kopf gestoßen wird, wurde am 5. September im Hauptausschuss deutlich. Die inzwischen dritte Änderung der Sitzungsplanung für 2017 wurde zu Gunsten derer, die im Landtag hauptberuflich Politik betreiben, und zum Hohn aller übrigen ehrenamtlich im Stadtrat tätigen Politiker beschlossen. Vor allem SPD und Grüne setzten sich für den Verwaltungsvorschlag ein. Das verwundert nicht: Immerhin haben sie einen hohen Anteil von Landtagsmitgliedern in ihren Stadtratsfraktionen, der durch Anwesenheit oder Fehlen eine Mehrheitsrelevanz hat. Dass andere Stadtratsmitglieder neben dem Ehrenamt noch ihrem Job außerhalb der Politik nachgehen, scheint ihnen egal zu sein. Wo liegt hier also das Problem? Der Erfurter Stadtrat ist ein regionales Parlament, das sich aus ehrenamtlichen Politikern zusammensetzt. Im Regelfall gehen diese einer hauptberuflichen Tätigkeit nach, wie jeder andere Bürger auch. Alles, was sie jenseits ihres beruflichen Tuns machen, ist ihre Freizeit und ihr Engagement für die Stadt Erfurt. Damit wiederum ergibt sich ein gut gefülltes berufliches und privates Wochenprogramm, das verlässlich geplant werden muss. Im Normalfall wird daher im Hauptausschuss die Jahresplanung für Stadtrats- und Ausschusssitzung bereits im Vorjahr festgelegt, sodass über das Jahr hinweg Termine frühzeitig berücksichtigt werden können. Nicht zuletzt hängen hier oft auch Familien dran, die durch die Fülle der Stadtratsarbeit ohnehin Abstriche machen müssen. Nun gibt es in einigen Fraktionen – die CDU-Fraktion möchte sich da gar nicht heraus nehmen – Stadträte, die gleichzeitig ein Mandat im Thüringern Landtag ausüben und damit Berufspolitiker sind. Das ist per se nicht schlimm, jedoch muss man sich dann auch darüber im Klaren sein, dass Überschneidungen im Zweifel die Teilnahme an der einen oder anderen Sitzung behindern. Genau dieser Fall ist jetzt eingetreten. Der Thüringer Landtag hat seine Dezembersitzung 2017 um eine Woche nach vorn verschoben. Daraufhin reagierte die Erfurter Stadtverwaltung, vermutlich getrieben durch SPD und Grüne, und legte im Hauptausschuss eine erneute Änderung der Sitzungsplanung vor. Dabei wird die Stadtratssitzung im Dezember eine Woche nach hinten verschoben, sodass man nach der Sitzung nicht mehr lange auf die Bescherung unterm Weihnachtsbaum warten muss, so nah ist die Sitzung an den Weihnachtsfeiertagen dran. Hinzu kommt eine Änderung der Sitzungstermine von Oktober bis Dezember – eine Zumutung für jemanden, der sich hier ehrenamtlich engagiert, nur weil einige der SPD- und Grünen-Stadträte bzw. Landtagsabgeordneten sich offenbar so privilegiert fühlen, dass sich der gesamte Stadtrat nach ihnen richten muss. Dies ist an Arroganz und Unverfrorenheit wohl kaum zu überbieten. Die übrigen ehrenamtlichen Stadträte müssen daher zusehen, wie sie ihre langfristige berufliche oder persönliche Terminplanungen mit den neuen Sitzungsterminen in Einklang bringen. Im Zweifel wird mit der Planänderung in Kauf genommen, dass deren Teilnahme unmöglich wird. Das, was man ja für die besagten Landtags-Privilegierten aus SPD und Grünen vermeiden wollte, hat für die übrigen Stadträte scheinbar keine Geltung. Moralisch ist dies äußerst bedenklich. Denkt man darüber hinaus nochmal an die Familien der übrigen Stadträte und daran, dass die Dezember-Sitzung allen Ernstes knapp vor Weihnachten gelegt wurde, so muss man sich wirklich fragen, ob man bei SPD und Grünen noch in menschlichen Dimensionen denkt oder ausschließlich im Sinne politischer Mehrheiten. Vor allem wollte man doch im Sinne der Toleranz auf religiöse Gruppierungen Rücksicht nehmen. Besonders SPD und Grüne stehen sonst in der ersten Reihe, wenn es um den Aufschrei nach mehr Toleranz geht. Warum also nicht auf die christlichen Mitglieder im Stadtrat und diejenigen Rücksicht nehmen, denen die Advents- und Weihnachtszeit allein schon aus familiären Gründen wichtig ist? Aber offenbar können die edlen Toleranzprinzipien, wenn es um Macht und parlamentarische Mehrheiten geht, nicht standhalten. Im Hauptausschuss stimmten die Vertreter der CDU, der Freien Wähler/FDP/Piraten sowie der Linken gegen diese Änderungen. CDU und Linke haben, wohl bemerkt, selbst Landtagsabgeordnete bzw. sogar Bundestagsabgeordnete in ihren Reihen (Antje Tillmann [CDU], Marion Walsmann [CDU], Karola Stange [Linke], André Blechschmidt [Linke]). Wenn jeder darauf beharren würde, dass er an anderer Stelle Sitzungstermine hätte, die sich mit dem Stadtrat überschneiden – sei es im Gartenverein, im Fußballclub, in der Gewerkschaft, im Betriebsrat, im Pfarrgemeinderat, im Aufsichtsrat, im Landtag oder auch im Bundestag – und daraufhin die Sitzungsplanung geändert werden müsste, könnte man sich die Stadtratsarbeit sparen, weil nie irgendein Termin zustande käme. Zumindest seitens der beiden CDU-Stadträte Walsmann und Tillmann wäre die Belastung der übrigen ehrenamtlichen Stadträte durch eine solch chaotische Sitzungsplanänderung zu Gunsten der je eigenen parlamentarischen Termine undenkbar. Es ist daher auch nicht vermittelbar, warum die Vertreter aus SPD und Grünen (namentlich Frank Warnecke [SPD], Birgit Pelke [SPD], Oskar Helmerich [SPD, einst AfD], Astrid Rothe-Beinlich [Grüne] sowie einige Stadträte der beiden Fraktionen, die als Mitarbeiter in den jeweiligen Landtagsfraktionen angestellt sind) gesonderte Privilegien in Form der Sitzungsplanänderung erhalten sollen. „Die Änderung des Sitzungskalenders sollte nicht zu Gunsten von Berufspolitikern erfolgen, welche in doppelter Funktion agieren. Die Wertschätzung eines demokratischen Miteinanders von Ehrenamtlichen gebührt einer solchen Vorgehensweise nicht. Die Achtung und der Umgang vor dem Ehrenamt sollten nicht nur verbal oder außerhalb des Rathauses gewürdigt werden, sondern auch im Stadtrat ernsthaft umgesetzt werden“, kommentiert CDU-Fraktionschef Michael Panse. (Quelle CDU-Stadtratsfraktion Alex Hein)

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