Frustbewältigung

Deutliche Worte
Deutliche Worte
Soziale Netzwerke als Bühne zum Frustabbau – so kann man das beschreiben, was sich seit Mittwoch bei Facebook, Twitter und Co abspielt. Befremdet verfolge ich, was es so alles für Kommentare von politisch engagierten oder zumindest interessierten Menschen gibt zum Thema GroKo. Bereits am Mittwoch habe ich für mich entschieden, dass ich mir gerne erst einmal selbst ein Bild vom Koalitionsvertrag machen möchte und mir dann ein Urteil bilde. Dies ist inzwischen geschehen und ich denke, der Koalitionsvertrag ist ein Kompromiss zwischen drei Parteien, die unterschiedliche Vorstellungen hatten und haben, aber sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen mussten. Mit einer Jamaika-Koalition wären noch ganz andere Sachen heraus gekommen. Es ist aber müßig, darüber jetzt noch zu sinnieren oder Tränen darüber zu vergießen. Es ist für mich erstaunlich, dass so viele politisch aktive Menschen (aus allen Parteien) vergessen oder verdrängen, was zur letzten Bundestagswahl (und auch schon bei Wahlen zuvor) passiert ist. Die Zeiten von klaren oder gar absoluten Mehrheiten sind vorbei. Sechs Parteien im Bundestag sorgen dafür, dass die Tortenstücke kleiner werden, aber immer noch für viele Entscheidungen Mehrheiten von 50+ benötigt werden. Bis auf die CDU/CSU wollte, durfte oder konnte keine Partei Verantwortung übernehmen. Was war, oder ist also die Alternative? So lange wählen, bis das Ergebnis stimmt? Wechselnde Mehrheiten bei einer Minderheitsregierung abhängig von AfD und Linken? Keiner der lautstarken Kritiker beantwortet diese Frage. Deshalb finde ich die allgemeine Stammtischkritik so sinnlos. Hinzu kommt, dass sich das Land mehr darüber aufregt, wer in welchem Ministerium Minister wird, oder was die CDU für Ministerien geopfert hat. Auch da ist es in einer Koalition so, dass zwei Regeln gelten. Zum einen greift die zweitgrößte Partei auf das vermeintlich wichtigste Ministerium zu (da die größte Partei das Kanzleramt hat) und danach geht es reihum weiter. Zum anderen entscheiden die Parteien jede für sich, wer am Ende für sie Minister wird. Insofern ist es unangemessen, der SPD oder der CSU als CDU-Mitglied hineinreden zu wollen. Alle eifrigen Kommentatoren von den Medien über Facebook bis zu Ortsgruppensitzungen sollten sich bewusst sein, dass sie gerade den allgemeinen politischen Verdruss befördern, den sie immer beklagt haben. Ich erwarte von den gewählten Bundestagsabgeordneten, dass sie ihren Job machen und nach einem halben Jahr endlich eine Regierung bilden. Regierung und Opposition können sich dann gerne die ganze Wahlperiode noch über Inhalte streiten. Parteien können bei den nächsten Parteitagen ihre internen Abrechnungen vornehmen. Aber jetzt den Untergang der Demokratie herbei zu diskutieren, halte ich in höchstem Maße für unangemessen. Von den vielen Kommentaren im Netz hat mir einer besonders gefallen. Stefan Schwarz, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Junge Union Vorsitzender in Rheinland Pfalz, hat in deutlichen Worten beschrieben, was ihn an der aktuellen Situation so ankotzt. Ich kenne Stefan seit 1991 und bin ihm dankbar für seine klaren Worte. Ich teile seine Einschätzung und auch seinen Artikel hier deshalb gerne:   VOM KOTZEN WIRD KEIN KÜHLSCHRANK VOLL Von Stefan Schwarz Zum Kotzen finde ich das Hetzen und Abkotzen über den Kompromiss zwischen SPD und Union. BILD hat es mal wieder getan: Kotzen über die Politiker. Das ist BILD. BILD hat das Kotzen über Politik in der DNA. BILD hätte bei einem Scheitern der Koalitionsverhandlungen, wie andere auch, noch viel schlimmer geätzt. Wer nicht BLÖD ist, der erkennt schnell: Die Posten für die SPD sind Kompensation für wenig inhaltliche Konzession der Union in den zentralen Forderungen der SPD. Klar ist das beschissen für viele in der Union und darüber hinaus. Klar hat die SPD erpresst, hat Schulz sehr lange sehr katastrophal agiert, ist der selbstüberschätzende Mann aus Würselen ein schwerer Schaden für die SPD und für die Demokratie. Geschadet hat übrigens auch Zwerg Dobrint, als er meinte, auf die drauf treten zu sollen, die bereits am Boden lagen. Dieses politische Genie hatte die reale Lage (einmal mehr) nicht erkannt. Trotz Kotzen von BILD & Co. über die Postenverteilung (worüber sonst könnte man so schön hetzen…) bleiben die inhaltlichen Zügel der zu bildenden Regierung in der Hand von Merkel und Co. – dies entspricht dem Wählerwillen, und der Rahmen dieses spezifischen Koalitionsvertrages begrenzt die Mitglieder des Kabinetts in ihren Handlungsspielräumen ungewöhnlich stark. Was die Inhalte betrifft, steht in dem Koalitionsvertrag neben der üblichen politischen Lyrik auch eine ganze Menge an wichtigen Inhalten drin. Muss man natürlich mal lesen, das ist natürlich sehr anstrengend. Ganz viel Unsinn steht da übrigens gar nicht erst drin. Weil der nämlich – trotz Zwang zum Kompromiss, trotz Erpresssungsversuchen der SPD – verhindert worden ist. Ach, Ihr Hetzer: Schon vergessen, wie selbstverliebt FDP und SPD aus der Verantwortung geflohen sind? Noch eine Erinnerung daran, wie Lindner nur die Lücke gesucht hat, um abhauen zu können, nicht richtig arbeiten und politisch Verantwortung übernehmen zu müssen? Schon mal drüber nachgedacht, was es über den Zustand eines Landes aussagt, wenn die letzten Idioten, die bereit sind zu regieren, so diffamiert werden? Will dieses Land nur noch Brot und Spiele? Motto: Hauptsache, der Kühlschrank ist voll? Will dieses Land nur noch gaffen, um den Daumen senken und über die herfallen, die sich wenigstens noch mühen, dieses Land und seine Leute konkret die nächsten Jahre zu steuern – die schwierig genug werden?! Mich kotzen (immer mehr) die an, die nur noch abkotzen. Das kann jeder, das ist billig – und das zerstört mein Land und das Land meiner Kinder von innen, erfasst immer weitere Bereiche. Das Kotzen dehnt sich aus wie Krebs. Wenn dieses Land nicht endlich aufwacht und begreift, dass es mit seiner gewaltigen Freude an der Scheiße auf Dauer an den Arsch geht, dann ist es eben so. Ich will das nicht. Wir haben genug zu tun, um uns als Europa in den nächsten Jahrzehnten ordentlich zu positionieren, wenn wir nicht Spielball von anderen werden wollen. Oder wieder Nationalisten auf dem Vormarsch sehen wollen. Die sind ja schon ziemlich weit gekommen, und das Ende zeichnet sich nicht ab – im Gegenteil. Und die wichtigste Nation in Europa, ohne die auf Dauer die Stabilität, auch der Frieden selbst, in Europa bekanntlich nicht zu halten ist, die fängt nun auch noch an zu schwanken? Das, liebe Leute, das wird nicht lustig. Wie wäre es, sich mal – zusammen zu reißen, sich mal klarzumachen, wo wir stehen und die Risiken mit den Chancen abzuwägen? Sich mal zusammenreißen und hart nach vorne arbeiten zu können – statt nur zu jammern, oder zu hetzen – war das nur nach dem WK II eine deutsche Tugend? Sind wir Deutschen einfach nicht für Zeiten gebaut, in denen uns keine Krisen und keine Kriege dominieren? Können wir nicht einfach auch mal schwere Kompromisse machen, um das Land und den Kontinent im globalen Wettbewerb nicht abgehängt zu sehen? Und natürlich auch nicht Millionen von Menschen abgehängt zu sehen, die unberechtigte und auch berechtigte Ängste vor der Globalisierung und Kontrollverlust haben? Oder können wir nicht mehr Kompromiss? Oder brauchen wir, jeder für sich, für das eigene Ego, das eigene Interesse, die eigene, die radikale einseitige Lösung? Und alles andere ist dann zum Kotzen, oder wie…?! Kann sein, dass Dekadenz und Egoismus schon so weit in jede Faser der Gesellschaft gedrungen sind. Kann sein, dass wir die Fähigkeit verloren haben, eine Gesellschaft zusammen zu halten. Kann sein, dass wir uns wie die Esel verhalten, denen es zu wohl geht. Wenn’s vorbei ist, dann ist es halt vorbei. Die anderen werden das berücksichtigen. Viele, die den Deutschen den Erfolg ohnehin nicht gegönnt haben, werden es sogar mit Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen – dass wir mit unserer Erfolgsgeschichte so weit gekommen sind, dass unsere Erfolge uns so unzufrieden gemacht haben, dass wir uns selbst das Land kaputt reden, inzwischen auch kaputt machen. Die super langweiligen Merkel-Jahre, mit ihrer bleiernen Langeweile aus Wachstum und Beschäftigung (für Millionen Familien, hier und in Europa), mit engerer europäischer Integration zur Fitness des Kontinents für kommende schwere Zeiten, das werden viele in Europa (auch in Deutschland) in 30 Jahren als – Achtung! – glückliche Periode empfinden. Und dem nachtrauern. Und natürlich vergessen und verdrängen, wie sehr sie selbst nichts getan haben, um den Niedergang aufzuhalten. Schon gar nicht erwähnen, wie sehr sie selbst dazu kräftig beigetragen haben. Hetze und Abkotzen ersetzt nie langweilige politische Arbeit. Wer Event und Entertainment sucht, der soll nach Hollywood gehen. Aber nicht in die Politik. Und wer die Politik zu Hollywood machen will, der versündigt sich am eigenen Land. Als wäre nicht Trump, als wäre nicht schon sehr lange Putin, als wären nicht die chinesischen Autokraten und die autoritären dieser Welt Warnung genug. Wer nicht sehen will, wird’s spüren: Dieser Kontinent ist auf dem absteigenden Ast. Und viel zu wenige sind bereit, sich aktiv dagegen zu stemmen. So – genug abgekotzt über die, die nur abkotzen? Es stimmt: Merkel hat viel Schuld an dem Ergebnis, das ist wahr. Aber zu übersehen, dass es in ganz Europa (Frankreich schon vergessen?) ähnliche, schlimmere, ja gefährlichere Entwicklungen gibt, das wäre nicht nur naiv, das wäre gefährlich.  Italien wird auch nicht besser, Ungarn und Polen sind erschreckend, Korruption und Gewalt in Rumänien, Bulgarien, der Brexit, Belgien und Spanien in der Zerreißprobe, die Russen in der Ukraine, vor dem Baltikum, dann noch Griechenland, Türkei, unsichere NATO, ein irrlichternder Trump… und, und und. Und China? Auf dem Durchmarsch. Und wir machen: Nabelschau? Ja, sind wir denn alle verrückt geworden? Geht’s nicht vielleicht auch eine, besser zwei Nummern kleiner? Da ist dann immer noch genug Platz fürs Hobby, auf Merkel einzudreschen. Das sollte nur nicht noch viel mehr zu politischem Autismus führen… Viel wichtiger ist die Frage: gibt’s noch welche da draußen, denen so viel an Land und Leuten liegt, dass sie den Schritt mehr tun wollen, den Zusatzeinsatz für die Allgemeinheit, ja: den Dienst an unserem großartigen Deutschland und seinen tollen Leuten bringen wollen? Die nämlich werden dringend gesucht. Meckerbolzen und Hetzer haben wir inzwischen im Überfluss. Und daneben haben wir viel zu viele, wirklich viel zu viele, die nur noch an sich denken: Hauptsache, der Kühlschrank ist voll. (Oder das Konto oder der Tank, oder, oder, oder…) Falsch. Wer vergisst, was nötig ist, um Kühlschrank voll und Familie über Wasser zu halten, der hat schon verloren. Vom Kotzen wird kein Kühlschrank voll. ICH STEHE FÜR DIESEN INHALT: STEFAN SCHWARZ . BITTE TEILEN: FÜR ALLE, DIE DAS MAL ZUM (KURZEN) NACHDENKEN BRINGT…

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