Persönliche Wendegeschichte aus Prager Sicht

Der historische Ort – die Deutsche Botschaft in Prag
Heute vor 30 Jahren war in der ehemaligen DDR ein wichtiges Datum – ein wichtiges Datum, weil zum letzten Mal der sogenannte Republikgeburtstag gefeiert wurde. Dabei wusste noch keiner, dass dies der letzte sein würde, aber jeder ahnte, dass Veränderungen in der Luft lagen. Während im Palast der Republik gefeiert und davor protesteiert wurde, war ich am 7. Oktober weit entfernt. Mit meiner damaligen Frau war ich in Prag und dies zu einer Zeit, zu der praktisch keine DDR-Bürger dort waren. Die DDR hatte die Grenze nach Tschechien praktisch geschlossen, nachdem die Fluchtwelle über Ungarn ihre Fortsetzung in der Prager und der Warschauer Botschaft gefunden hatte. Die Züge mit den Botschaftsflüchtlingen waren gerade erst gen Westen gefahren und die DDR wollte das „Ventil“ schließen. Dass wir trotzdem in Prag waren, verdankten wir einer länger geplanten Sportreise. Unser Verein Braugold Erfurt (natürlich Volleyball) durfte dank einer Sondergenehmigung mit einer Mannschaft inklusive Betreuern zu einem Turnier nach Prag und vorsorglich hatten wir den Schwiegereltern unseren Wohnungsschlüssel gegeben. Da meine Frau damals im 7. Monat schwanger war, spielte sie zwar nicht mehr, war aber als Betreuerin ebenso dabei, wie ich als Teammanager. Wir haben in diesen Tagen lange darüber gesprochen, ob wir aus Prag wieder zurück fahren, oder in den Westen gehen. Wir haben, wie viele DDR-Bürger auch, das Für und Wider abgewogen und wollten den 7. Oktober abwarten. Ob der Republikgeburtstag in Gewalt gegen Demonstranten enden würde oder ober der Veränderungsprozess an Dynamic gewinnen würde war damals schwer einzuschätzen. Wir sind schließlich nicht in die Deutsche Botschaft gegangen, obwohl unsere tschechische Gastfamilie angeboten hatte uns dort sogar hin zu fahren. Wir sind stattdessen (zusammen mit allen Spielerinnen und Betreuern des Teams) am Montag dem 9. Oktober 1089 zurückgefahren. Die Zugfahrt über Dresden war gespenstisch. Vom Bahnhof aus sahen wir Wasserwerfer in den Seitenstraßen und wir zweifelten sehr, ob unser Entschluss richtig war. Heute 30 Jahre später bin ich überzeugt, dass es für uns die richtige Entscheidung war, aber ich kann mich in alle hineinversetzen, die sich in diesen Monaten anders entschieden haben.

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