Wege aus der Kinderarmut und Großelterndienste

Fachhochschule (2)
Gespräch mit dem Kinderschützer Ingo Weidenkaff am Rand der Tagung
Am Beginn der heutigen Fachtagung an der Fachhochschule Erfurt „Wege aus der Kinderarmut: Aktuelle Debatten und kommunale Handlungsmöglichkeiten“ stand eine Interpretation der Zahlen. Prof Ronald Lutz verwies auf die Zahlen zur Kinderarmut nachdem langen Zeit die Zahl von 16 Prozent armen Kindern in der Diskussion stand (damit über dem OECD-Durchschnitt), sprechen neue Interpretationen von 8 Prozent. Unstrittig ist, dass es in jedem Fall zuviele Kinder sind die auf Grund der Einkommensarmut ihrer Eltern in eingeschränkter Teilhabemöglichkeit aufwachsen. Die Zahlen der Kinderarmut müssen im Verhältnis ihrer Labenslagen betrachtet werden. Prof. Lutz sprach von entstehenden Kulturen der Armut und das man schon fast von einer Entwicklung zu einer neuen Ständegesellschaft sprechen könne.
Fachhochschule
Prof. Ronald Lutz, Ralf Spirek und Thomas Hippchen
Auf ein Beispiel der Armutsprävention ging Thomas Hippchen aus Saarbrücken ein. Er stellte das Projekt der Gemeinwesenarbeit in fünf Stadtteilen von Saarbrücken vor. Parität, Diakonie und Caritas sind Träger der fünf Zentren in denen mit Kindern im Alter von 6-14 Jahren gearbeitet wird. Auch die Elterarbeit gehört dazu – nach meiner Meinung für Nachhaltigkeit noch wichtiger. Thomas Hippchen verwies zu Recht darauf, dass es darum geht Eltern zu motivieren und ressourcenorientiert ihnen Erziehungs- und Entwicklungserfolge ihrer Kinder nahe zu bringen. Bei dem Modellprojekt wurden 70 von 280 Kindern der Zielgruppe erreicht. Im Rahmen der Erfolge des Modellprojekts steig das Jugendamt in die dauerhafte Finanzierung ein, es gab ein Folgeprojekt von 2006 – 2009. Leider konnte ich am Nachmittag die Vorstellung des Projektes der Familienpaten nicht mehr hören, da weitere Termine anstanden. Zunächst ging es für mich in den Landtag. Nach ziemlich genau einem Jahr und neun Monaten war ich einmal wieder bei einer Sitzung des Sozialausschusses im Landtag. Dieses mal aber nicht als Abgeordneter sondern als Berichterstatter der Landesregierung. Auf Antrag der Linken berichtete ich zur Situation der Mehrgenerationenhäuser. Irgendwie immer noch ein komisches Gefühl auf der „anderen Seite“ am Tisch zu sitzen. Ich habe mich über das Interesse am Thema gefreut, auch dass die Thüringer Allegemeine dem Thema eine halbe Seite mit einem Interview mit mir widmete.
Großelterndienste (14)
Werbekarten für "Wahlgroßeltern"
Die Mehrgenerationenhäuser schlugen dann auch den Bogen zum nächsten Termin. Im Erfurter Frauenzentrum trafen sich die Thüringer Initiativen der Großelterndienste. Ähnlich wie die Familienpatenschaften bringen sie Eltern und Wahlgroßeltern zusammen. In Erfurt gibt es gleich zwei Großelterndienste und noch elf weitere in Thüringen. Die LEG und das Projekt „Kinderbetreuung 24“ koordinieren die thüringenweite Vernetzung und ich helfe gerne dabei mit. Viele der Großelterndienste sind bei den Mehrgenerationenhäusern oder Familienzentren angesiedelt und so begegnete ich heute auch etlichen bekannten Gesichtern von meinen Besuchen in den MGHs in den letzten Wochen.  Bilder vom Treffen der Großelterndienste

Armut, die Betroffenheit auslöst

Kati (64)
Große Wäsche in Kati
„Armut ist die schlimmste Menschenrechtsverletzung in Mali“ so sagte es uns der deutsche Botschafter am ersten Tag unserer Reise. Wir wussten alle in der Delegationsgruppe vor Reiseantritt, das Mali zu den drei ärmsten Ländern der Welt gehört. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, wenn man von Armut in den Medien liest und die Bilder im Fernsehen sieht, oder Armut an jeder Straßenecke erlebt und in die Gesichter der Kinder blickt. Beim Gang durch unsere Partnerstadt sahen wir vor allem abseits der beiden einzigen Teerstraßen, die die Stadt kreuzen, bittere Armut und Kinder, die auf Müllhalden spielten, waren leider keine Seltenheit. Auf dem Markt der Stadt pulsierte das Leben auch am Sonntag. Für europäische Verhältnisse allerdings mit katastrophalen hygienischen Bedingungen. Fisch, Fleisch und viele Dinge, die wir gar nicht einordnen konnten, unmittelbar neben einer provisorischen Kanalisation. Wenige hundert Meter weiter mitten in der Stadt ein Anbaugebiet für Gemüse, welches von einer Art Genossenschaft betrieben wird. Für alle in der Gruppe waren dies prägende Einblicke hinter die Fassaden unsere Partnerstadt. 
Kati (8)
Mopeds wohin man sieht
Gleichzeitig sahen wir aber auch die ausgelassene Freude der Menschen in Mali. In tollen Kleidern und Trachten wurden mehrere Hochzeiten neben dem Rathaus gefeiert. Sonntag ist Hochzeitstag und da versammeln sich alle Freunde, so dass das Standesamt bei jeder Trauung überfüllt ist. Zum Hochzeitskorso durch die Stadt brechen danach dutzende Mopeds auf. Auch darauf selbstbewußt und in Festtagskleidung junge Frauen und Männer. Am Nachmittag besuchten wir das Nationalmuseum in Bamako. Ein eigentümlicher Kontrast für uns zu den gerade gesehenen Bildern in Kati. Der Nationalpark ist ein wunderschön angelegter Park und ein Museum, welches die Stoffproduktion, Masken und Rituelle Gegenstände der Geschichte Malis präsentiert. Zur anschließenden Bootsfahrt auf dem Niger hielten wir einige hundert Meter vor dem Fluß und gingen durch eines der zahlreichen Armutsviertel der Stadt. Unbeschreibliche Zustände, vor allem aber die fehlende Kanalisation, ganz zu schweigen von der nicht vorhandenen Müllentsorgung erschreckten uns.
Niger (12)
Der Fluß Niger zieht sich durch die Stadt Bamako und durch das ganze Land
Während einer Kahnfahrt auf dem Niger, der Lebensader des Landes sahen wir am Uferrand wieder die krassen Gegensätze. Aufwändig gebaute Villen am Ufersrand und direkt daneben Blechhütten, in denen die Angestellten wohnen. Wäsche waschen und Köperpflege findet alles im Fluß statt, während nur wenige Meter daneben die Abwässer in den Fluß sickern. Es ist nur schwer zu ertragen, wenn man Kinder sieht, die im Müll spielen, während daneben notdürftig Müll verbrannt wird. Das Durschnittseinkommen in Mali liegt umgerechnet bei einem Euro pro Tag und die Lebenserwartung bei 55 – 60 Jahren. An beiden Zahlen wird sich sobald auch leider noch nicht viel ändern. Auch wenn wir nur einen Mosaikstein legen können, ist unsere Hilfe in unserer Partnerstadt Kati (über)lebensnotwendig. Die Bilder vom Tag:

Bedarfsgerechte Regelsätze für Kinder eingefordert

Eine schier endlose Diskussion um die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder hat heute vor dem Bundesverfassungsgericht seinen vorläufigen Abschluss gefunden. Bereits vor zwei Jahren habe ich in der parlamentarischen Diskussion im Thüringer Landtag eigene Kinderregelsätze eingefordert. Der Grundfehler der prozentualen Berechnung analog zu den Regelsätzen von Erwachsenen wurde bereits bei der Konstruktion von Hartz-IV von Rot-Grün gemacht. Müntefering und alle folgenden Arbeitsminister wurden zwar gemahnt dies zu korrigieren, aber nichts bzw. nur wenig ist passiert. Auch die Angleichung an die prozentualen Sätze im letzten Jahr diente nur dazu, noch vor der Bundestagswahl wenigstens Mehrbedarfe entsprechend der Alterstufen anzuerkennen. Beim Kindesunterhalt, den getrennt lebende Väter oder Mütter zahlen müssen funktioniert es deutlich differenzierter. Was nun folgen muss ist eine offene Diskussion, was zur Teilhabegerechtigkeit für Kinder notwendig ist. Dies muss nicht zwingend zu einer Erhöhnung der Hartz-IV-Sätze führen. Bereits im Landtag haben wir über Sozialfonds diskutiert, die bei Ganztagsbetreuungen, die eine Gebührenbefreiung haben (Kita- und Hort-Gebühren) auch die Angebote wie Essensversorgung und Freizeitangebote (von Besuch im Puppentheater bis zum Schwimmbadbesuch) umfassen. Das Schulstarterpaket zielte genau in diese Richtung. Wenn dies statt den Sozialfonds an Schulen und Kitas in den Regelsätzen eingearbeitet werden soll, ginge dies über sogenannte Mehrbedarfsregelungen bei Ganztagsbetreuung. Klar muss aber auch sein, dass sich dies an den zur Verfügung stehenden finaziellen Mitteln einer Familie orientieren muss. Die Alleinerziehende Verkäuferin hat häufig weniger Finanzmittel zur Verfügung, als Hartz-IV-Empfänger. Chancengerechtigkeit muss selbstverständlich auch für ihre Kinder gelten. Im Sozialrecht des SGB VIII gibt es den sogenannten Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe. Daran müssen sich Unterstützungsangebote orientieren. Wer meint, dafür sei nun allein der Bund zuständig, irrt. Leistungen die bis jetzt auf kommunaler Ebene erbracht werden (in Erfurt kostenfreies Mittagessen in Kitas und Horten für bedürftige Kinder, Sozialticket im ÖPNV), darf nicht ersatzlos zum Bund rübergeschoben werden. Freiwerdene Finazmittel müssen weiter für Familien eingesetzt werden. Leider geht der Trend genau in die andere Richtung. In Erfurt entledigt sich die Stadtverwaltung gerade unliebsamer eigener sogenannter freiwilliger Leistung. Das Familienzentrum am Anger, die Jugendeinrichtungen der Stadt, Erziehungs-Ehe-, Familien- und Lebensberatungstellen können schon jetzt ein Lied davon singen. Bei meinem heutigen Gespräch bei der Caritas habe ich deren Sorgen gehört und werde sie im Jugendhilfeauschuss zur Sprache bringen.