Die Antwort ist: Nein!

Gestern im Stadtrat
Keine 24 Stunden nach der gestrigen Abstimmung zur Beigeordnetenwahl sind offensichtlich Teile der SPD von ihrer eigenen Courage erschreckt und versuchen hastig, den schwarzen Peter von sich zu schieben. Fakt ist aber, dass offensichtlich die große Mehrheit der Genossinnen und Genossen der Erfurter SPD nur Unterstützung einfordert, wenn es im links-link-grünen Lager keine Mehrheit gibt. Dies war bei den letzten beiden Haushaltsdiskussionen ebenso der Fall, wie bei zahlreichen Anträgen der Linken und der Grünen. Das Erfurter Modell gibt es nach meiner Meinung nicht (mehr). Es wird auch nicht ersetzt, durch das von der SPD nun präferierte Modell „wasch mich, aber mach den Pelz nicht nass“. Wer voller Heldenmut dem eigenen Oberbürgermeister eine reindrückt, sollte nicht nur dazu stehen, sondern auch einen Plan B in der Tasche haben. Als Finanzpolitiker meiner Fraktion möchte ich anmerken, dass die CDU ganz sicher nicht zur Verfügung stehen wird, Straßen und Parkplätze mit viel Geld zurück zu bauen und stattdessen Schulen in ihrer dringend notwenigen Sanierung zu vernachlässigen. Diese Bereiche waren und sind aber Kernaussagen des ehemals linken Fraktionsvorsitzenden und nun Beigeordneten. Wenn immerhin 29 Stadträte der Meinung sind, dass dies sich mit ihren Zielen deckt, dann werden höchstwahrscheinlich diese 29 Stadträte auch den Haushalt 2021 beschließen müssen. Der Haushalt 2021 wird – wenn er überhaupt irgendwann als Entwurf vorliegt – voraussichtlich nur einen Bruchteil der notwenigen Investitionen für Schulen, Kitas und Infrastruktur enthalten. Stattdessen wird der Verwaltungshaushalt einen übergroßen Anteil ausmachen. Ich sehe keinerlei Gestaltungsspiel und auch keinerlei Gestaltungswillen bei der Mehrheit des Erfurter Stadtrats. Seit gestern Abend dürfte klar sein, dass wir bei der Abstimmung zum Haushalt 2021 wohl auf unterschiedlichen Seiten des Tisches sitzen werden.

Rollenwechsel – Rollenspiel

Vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses
Zweifellos ein gebrauchter Abend war die gestrige Stadtratssitzung für den Oberbürgermeister und die CDU-Stadtratsfraktion, aber wohl auch für die Stadt Erfurt. Die letzte Stadtratssitzung des Jahres fand erneut unter Pandemiebedingungen in der Thüringenhalle statt. Alle nicht unbedingt notwendigen Tagesordnungspunkte wurden von der Verwaltung oder den Fraktionen von der Tagesordnung geräumt. Zudem wurden zahlreiche Punkte ohne Aussprache abgestimmt. Somit blieben nur rund 30 der 75 Tagesordnungspunkte übrig und auch darunter gab es keine Streitthemen. Ich hatte es bei der Sitzungsleitung damit auch leicht, den „Zeitplan“ einzuhalten. Pünktlich 19:45 Uhr endete die reguläre Stadtratssitzung und 20 Uhr begann die Sonderstadtratssitzung zur Wahl des Beigeordneten für Bau, Wirtschaft und Verkehr. Aus den 8 Bewerbern gab es drei, die von ihren Fraktionen vorgeschlagen wurden. Matthias Bärwolff wurde von den Linken, Daniel Stassny von den freien Wählern und Niklas Waßmann von der CDU vorgeschlagen. Der Oberbürgermeister schlug ebenfalls Niklas Waßmann vor. Nach einer sachlichen Vorstellungs- und Fragerunde ging es an die Wahl. 50 von 51 Stadträten waren bei der Sitzung dabei. Wie allgemein erwartet gab es im ersten Wahlgang keine Entscheidung – aber eine Überraschung. Niklas Waßmann der es mit den Stimmen der CDU, des Oberbürgermeisters und der SPD auf 20 Stimmen hätte bringen können erhielt nur 15 Stimmen. Matthias Bärwolff erhielt 18 Stimmen und Daniel Stassny 17. In der Stichwahl gewann Matthias Bärwolff mit 29 zu 21 Stimmen und wird ab dem 1. Februar 2021 neuer Beigeordneter. Als Stadtratsvorsitzender habe ich ihm zu seiner Wahl gratuliert. Als CDU-Stadtrat und stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender erlaube ich mir hingegen einige Anmerkungen. Es ist festzustellen, dass es in Erfurt keine Mehrheiten für eine verlässliche und verbindliche Politik gibt. In nahezu jeder Stadtratssitzung wechseln von Tagesordnungspunkt zu Tagesordnungspunkt die Mehrheiten. In den letzten zwei Jahren hat die CDU mit  der SPD und dem Oberbürgermeister zusammengearbeitet, wenn es um schwierige Entscheidungen ging. Wir haben den Haushalt gemeinsam mit der SPD getragen und verhindert, dass Linke und AfD den Stadtrat unregierbar machen. Beide Fraktionen fielen in der Vergangenheit vor allem dadurch auf, dass sie sich unangenehmen Entscheidungen entzogen haben. Maßgeblichen Anteil an der Abkehr der Linken als ehemaliger Kooperationspartner in der rot-rot-grünen Gemeinschaft hat deren Fraktionsvorsitzender Matthias Bärwolff. Dass dieser nun, ausgestattet mit Stimmen von ganz links und mutmaßlich bis ganz rechts und darunter auch großen Teilen der SPD-Fraktion, Beigeordneter für Bau, Wirtschaft und Verkehr wird, verkompliziert die Kommunalpolitik erheblich. Die TA schrieb heute zum Thema „Teile der SPD-Fraktion ließen offenbar ihren Oberbürgermeister im Stich, indem sie gegen dessen Vorschlag votierten.“. Der bisherige Beigeordnete Alexander Hilge hat sein Amt mit unwahrscheinlichem Engagement, einer hohen Sachkompetenz und Loyalität zum Oberbürgermeister ausgeübt. Letzteres sind Attribute, die Matthias Bärwolff fehlen. Nach eigenen Aussagen fehlt ihm die Kompetenz für den Wirtschafts- und wohl auch für den Baubereich. Nach dem Abitur wurde er Landtagsabgeordneter und nach dieser Zeit begann er zu studieren. Den Abschluss seines Studiums strebt er für das Frühjahr an. Wie er vor diesem Hintergrund, einschließlich der bisherigen erheblichen Meinungsverschiedenheiten mit der Verwaltung, sein zukünftiges Dezernat führen will bleibt ungewiss. Ältere Stadtratskollegen werden sich noch daran erinnern, wie die ehemalige grüne Fraktionsvorsitzende einst Beigeordnete wurde und welchen Trümmerhaufen sie mangels fachlicher Qualifikation hinterlassen hat. Wie die CDU in den nächsten Monaten politisch agieren wird, werden im Kreisvorstand und in der Fraktion besprechen. Ich persönlich sehe die CDU seit gestern Abend wieder in einer klaren konstruktiven Oppositionsrolle. Bilder aus dem Stadtrat