Die Umzugskisten schon gepackt

Das Objekt der Begierde
Das Objekt der Begierde
Möglicherweise ist es ein Entlastungsangriff der Stadtverwaltung auf die Nerven der Erfurterinnen und Erfurter. Schließlich wird die dauernde Diskussion um die Multifunktionsarena und das Haushaltschaos irgendwann eintönig. Wahrscheinlicher ist es aber die verabsäumte Verlängerung des Mietvertrages für das Bauamt einfach nur Schlampigkeit der Verwaltungsspitze und bedingt durch Fehler in der Verwaltungsstruktur. Bei unserer heutigen Fraktionssitzung hatten wir mit dem Haushaltssicherungskonzept und der vorläufigen Haushaltsführung für das Jahr 2017 eigentlich schon genug Themen zu diskutieren. Ende vergangener Woche flatterte den Finanzausschussmitgliedern die Einladung zu einer dringlichen nicht öffentlichen Sitzung des Ausschusses Finanzen, Liegenschaften, Rechnungsprüfung und Vergaben für Mittwoch dieser Woche auf dem Tisch. Die einzigen beiden Tagesordnungspunkte sind die Beendigung des Mietverhältnisses am Kaffeetrichter und der Umzug in die Warsbergstraße sowie der Ankauf der Immobilie. Da der zuständige Beigeordnete das Thema heute bereits in der Presse umfänglich erläuterte, können wir auch darüber sprechen. Bei den Umzugsplänen geht es dieses Mal nicht um die Beendigung eines Mietverhältnisses mit Mietern der Stadt, von denen mehr Geld reingeholt werden sollte (Stadtgarten, E-Burg, Werbesatzung, Wenigemarkt etc.). Dieses Mal ist die Stadt auf der anderen Seite des Vertragstisches. Oder eben auch nicht. Im Trubel der zahlreichen Änderungen der Zuständigkeiten hat die Verwaltung nicht mitbekommen, dass zum Jahresende der Mietvertrag für die Bauverwaltung ausläuft. Als Anfang dieses Jahres die Zuständigkeit für die Liegenschaften von der Finanzbeigeordneten in den Bereich des Baubeigeordneten wechselte, wurde offensichtlich versäumt, klare Verantwortlichkeiten für die Mietverträge festzulegen. Neu ist das Thema allerdings nicht. Bereits vor zweieinhalb Jahren war das Thema im Stadtrat. Damals ging es um die Frage, ob die Stadt das Gebäude am Kaffeetrichter kauft oder doch lieber die Arnstädter Straße 28. Die CDU hat damals darauf gedrängt, stattdessen die ehemalige Zahnklinik zu ertüchtigen und umzubauen. Nachdem alle diese Optionen von Verwaltung und Stadtrat verworfen wurden, plante die Stadt (angeblich) 2018 in das leerstehende ehemalige Funkwerk-Gebäude in der Warsbergstraße zu ziehen. Nun muss dies schon zum 1.1.2017 passieren – mit ganz erheblichen Kosten. Da diese Kosten nicht vorgesehen waren, werden wir unter anderem im Finanzausschuss danach fragen, wo das Geld herkommen soll. Rücklagen gibt es in Erfurt seit 2012 nicht mehr – das könnte sich jetzt bitter rächen. Das Haushaltssicherungskonzept tritt damit in den Hintergrund und die vorläufige Haushaltsführung 2017 wird dies zweifellos zu spüren bekommen. Ich habe das Gefühl, es wird sich zu diesem Thema noch eine längere Diskussion entwickeln.

Den Stuhl vor die Tür gestellt

Der Reiterhof in Stotternheim
Bereits vor acht Wochen am 12.9.2012 fand eine gemeinsame Sonderausschusssitzung mehrerer Fachausschüsse im Erfurter Stadtrat, um über die Zukunft des Reiterhofes (Reit- und Therapiehof Kinderleicht e.V.) in Stotternheim zu beraten. Fraktionsübergreifend gab es damals Einigkeit und die Stadtverwaltung wurde schließlich per Stadtratsbeschluss am 26.9.2012 beauftragt, die notwendigen Schritte einzuleiten (siehe Berichterstattung dazu). Gestern Abend fand erneut ein Sonderausschuss statt, um die Ergebnisse zu beraten. Empört und überrascht registrierten die Stadträte, dass die Verwaltung sich zwischenzeitlich auf den Weg gemacht hatten das „Problem zu lösen“, leider aber nicht im Sinne des Einwohnerantrags und auch nicht im Sinne der Mehrheit des Stadtrats. Die Fakten dazu: Die Kündigung des Pachtvertrags wurde nicht zurück genommen und zudem gestern Vormittag eine sofortige Nutzungsuntersagung ausgesprochen. Damit wurde dem Verein der Stuhl sprichwörtlich vor die Tür gestellt. Über das Wochenende mussten die frustrierten Vereinsmitglieder das Objekt räumen und seitdem bemühen sie sich um Einstellmöglichkeiten für ihre Pferde.
Die Reithalle mit der Dachkonstruktion
Ursächlich für die sofortige Nutzungsuntersagung ist eine Studie eines Architekturbüros, welches zu dem Fazit kommt, dass die Standsicherheit des Gebäudes und insbesondere die Traglast des Daches nicht gewährleistet sei. Mitte der 90ger Jahre wurde eine Zwischendecke vom Reitverein in dem kommunalen Gebäude entfernt. Seitens der Stadtverwaltung kann niemand sagen, ob dies damals mit ausdrücklicher Zustimmung oder nur Duldung des Eigentümers (also der Kommune) erfolgte. In jedem Fall haben sich zu dem Zeitpunkt bereits Veränderungen in der Dachkonstruktion ergeben – die allerdings bis zur aktuellen Diskussion weder zu Beanstandungen seitens der Stadtverwaltung noch zum Zusammenbruch des Gebäudes geführt haben. Vor nunmehr knapp zehn Jahren wurde zudem durch die Stadt das Dach neu gedeckt, ohne die Statik in Frage zu stellen oder überhaupt zu prüfen. Seidem gab es zahlreiche starke Winter mit teils heftigen Schneelasten, die sogar zu Sperrungen von Schulsporthallen führten. Allerdings nicht bei der kommunalen Sportstätte dem Reiterhof in Stotternheim!
Das umstrittene Gebäude
Mit dem Aufstellungsbeschluss zu einem B-Plan wurde das Thema vor über einem Jahr interessant. Der ursprüngliche Plan der Verwaltung dieses Gebiet von einem Mischgebiet mit dörflichem Charakter in ein reines Wohngebiet umzuwandeln wurde vom Stadtrat verändert mit der Maßgabe, den Reiterhof in diesen B-Plan zu integrieren. Den Plan dort ein reines Wohngebiet zu definieren, hat die Verwaltung aber offensichtlich bis heute nicht aufgegeben. Dies wird bei diversen Vorlagen überdeutlich. Für mich bleibt daher der Eindruck „das Ziel steht schon fest, die Stadtverwaltung sucht noch den Weg dahin, ggf. auch unter bewusster Umgehung der Position des Erfurter Stadtrats“. Das Ziel scheint die Beseitigung des Reiterhofs zu sein, weil sich ein reines Wohngebiet besser vermarkten läßt. Entsprechend der Aufforderung aus dem Sonderausschuss Mitte September hat sie jedenfalls nicht gehandelt. Wir wollten die Rücknahme der Kündigung des Pachtvertrages – die Rathausjuristen sind der Auffassung, für solche Beschlüsse sind wir gar nicht zuständig. Allerdings haben sie den diesbezüglichen Stadtratsbeschluss nicht beanstandet, damit ist er natürlich gültig. Wir wollten eine Prüfung der notwendigen Kosten für den Weiterbetrieb des Reiterhofes. Zweifellos kann man berechnen, was die Ertüchtigung der Dachkonstruktion kosten würde (rund 30.000 bis 50.000 Euro). Berechnet wurde indes nur der Abriss und gänzliche Neuaufbau für abenteuerliche 800.000 Euro. Wenn dies die einzige vorgeschlagene Option gegenüber der Beseitigung des Reiterhofes ist, müsste (so die Kalkulation der Verwaltung) auch der resistente Stadtrat kapitulieren. Und wir wollten, dass ein neuer Pachtvertrag mit dem Verein verhandelt wird. Gespräche gab es – mit dem Angebot von 2.000 Euro monatlicher Pachtgebühr. Jetzt muss der Verein sofort das Gebäude räumen. Juristen haben berechtigt darauf hingewiesen, dass die Stadt nun möglicherweise Schadenersatzpflichtig ist. Schließlich gibt es bis Ende des Jahres noch einen gültigen Pachtvertrag, den die Stadt nicht erfüllen kann. Ob der Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung einer rechtlichen Prüfung standhält, ist ebenfalls fraglich. Die Verwaltung wurde nun gebeten, drei Dinge umzusetzen. Zum einen soll der vorübergehende Auszug der Pferde in Ausweichobjekte finanziell unterstützt werden (für den Umzug und die Ertüchtigung von Pferdeboxen). Desweiteren sollen die Kosten für eine Minimalsanierung bis zur nächsten Stadtratssitzung beziffert werden. Und zum Dritten soll der B-Plan weiterhin den Reiterhof beinhalten. Ich bin mir unsicher, ob das Ergebnis zufriedenstellend sein wird, ich bin aber zunächst froh, dass sich die Stadtratsfraktionen gestern Abend erneut klar positioniert haben!