Partizipation auf schwäbisch

Stuttgart
Ministerin Katrin Altpeter
Es ist gut drei Jahre her, dass ich das letzte Mal in Stuttgart war und seit dem hat sich zweifellos vieles verändert. Im Rahmen des zweitägigen Kogresses zum „Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit“ bleibt auch etwas Zeit die Stadt zu erkunden und Gespräche über die aktuelle Situation im Schwabenland zu führen sicherlich hat sich doch das Politikverständnis völlig gewandelt?!? Kaum aus dem Bahnhof heraus ist das zentrale Thema in Stuttgart sofort präsent. Neben dem Bahnhof sind auf dem innerstädtischen Campingplatz im Schloßgarten noch immer Zelte zu finden. Zwar ist die Zahl der Protestierer gegen Stuttgart 21 deutlich gesunken, aber es sind im Parkgelände noch einige Camps verstreut. Auch die Taxifahrerin konfrontierte mich sofort mit dem „Lieblingsthema“ der Stuttgarter. Ich werde aufmerksam verfolgen, was nun im Herbst bei der Abstimmung heraus kommen wird. Im Rahmen des Kongresses stand das Thema „Partizipation und Integration in Europa – voneinander lernen!“ im Mittelpunkt. Im Impulsreferat machte Dr. Strachwitz (maecenata Berlin) deutlich, dass er das Web 2.0, Facebook und Twitter als die Medien der modernen Zivilgesellschaft betrachtet. Das mag stimmen, allerdings bin ich der Auffassung, dass Medienverantwortung auch in der modernen Zivilgesellschaft nicht außen vor bleiben darf. Seiner zweiten These von Partizipation als entscheidenten Teil gesellschaftlicher Verantwortung  mag ich nicht uneingeschränkt folgen. Mehr angetan war ich vom Vortrag von Dr. Manfred Hellrigl von der Stabsstelle „Büro für Zukunftsfragen“ Voralberg. Die Stabsstelle gibt es seit 11 Jahren und widmet sich drei Themenkomplexen: dem bürgerschaftlichen Engagement, dem Sozialkapital und der nachhaltigen Entwicklung. Nach Auffassung von Dr. Hellrigl ist das Thema der Sicherung des Lebensstandarts der Menschen das dominierende Thema der Zukunft. Er erläuterte, dass gesellschaftlicher Reichtum einher geht mit einer hohen Bereitschaft der Bürger sich zu engagieren. Während in Österreich, Deutschland und in den nordeuropäischen Ländern Quoten von 30-40 Prozent erreicht werden, liegen die Engagementsquoten in Griecheland, Italien und Irland bei unter 10 Prozent. Um Bürger zu motivieren mitzumachen, wird in Voralberg ein eigener Weg gegangen, der über Gesetze, Kampagnen, Förderungen, Ehrungen und Würdigungen (die üblichen Instrumente) hinaus geht. Es geht dort um Partizipation der Bürger und ein Miteinander auf Augenhöhe. Das Instrument der BürgerInnenräte hat sich dort bewährt. Dr. Hellrigl nennt es Demokratie 2.0 und ich teile seine Einschätzung. Ob und wie Demokratie 2.0 auf den Ausgang des Projektes Stuttgart 21 wirkt, bleibt noch abzuwarten. Katrin Altpeter, Sozialministerin von Baden-Württemberg ging dem Thema bei ihrem Grußwort lieber aus dem Weg.
Stuttgart (6)
Rot-Front auch in BaWü
Wesentlich deutlicher war da die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung (also ehrenamtliches Engagement) Gisela Erler. Die Tochter des promineneten SPD-Politikers Fritz Erler ist Grüne und beschwor eine „neue Gründerzeit“, die von der neuen grün-roten Landesregierung ausgehen werde und die „Einbeziehung verschiedener Subkulturen“. Für bürgerschaftliches Engagement setze die Landesregierung nach ihren Worten auf die Verbesserung steuerlicher Rahmenbedingungen, Richtlinien und Leitfäden für den Bürgerdialog für die Verwaltung und Aufwandsentschädigungen. Sie selbst betonte, sie übe ihr beratendes Amt für die Landesregierung ehrenamtlich aus – lediglich mit einer Aufwandsentschädigung.
Stuttgart (4)
Innenstadtindianer im Schloßgarten
Was Aufwandsentschädigung im grün-roten Schwabenland bedeutet, habe ich nach dem netten Hinweis einer Bekannten 🙂 einmal gegoogelt – Web 1.0 halt. Das Ehrenamt bringt immerhin 3.000 Euro monatlich plus Reise und Unterkunftskosten, wie es die Stuttgarter Zeitung erklärt. In Verantwortung von Frau Erler wird die Infobroschüre zur Volksabstimmung für Stuttgart 21 entstehen, ganz objektiv und wahrscheinlich auch ehrenamtlich. Da bin ich mal sehr gespannt und werde mich von Stuttgarter Freunden dazu auf dem Laufenden halten lassen.