Heftig diskutiert – Rente mit 70?!

 
Sterndeuterei bei der Zukunft der Rente?
Seit diesem Wochenende findet in Thüringen eine intensive Diskussion um das Rentenalter in Deutschland statt und ich finde dies völlig berechtigt. Der demografische Wandel und die erfreulicherweise deutliche Erhöhung der Lebenserwartung der Menschen, erfordern eine Diskussion und auch Entscheidungen hierzu. Das der Blümsche Satz „Die Rente ist sicher“ nicht mehr gelten wird, hatte die Junge Union schon 1995 bezweifelt – inzwischen ist es politisches Allgemeingut, das es Veränderungen im Rentensystem geben muss. Der Einführung der Rente mit 67 folgte die Entscheidung der Bundesregierung zur Rente mit 63 (nach 45 Beitragsjahren). Beide Entscheidungen haben allerdings keinen Einfluss auf die Rentenhöhe, lediglich auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme. Der Chef der Bundesagentur Frank-Jürgen Weise regte am Wochenende an, dass nach Einführung der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren nun eine Flexibilisierung auch bei freiwilligen späteren Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bis 70 Jahre erfolgen müsse. Überraschenderweise kam Zustimmung zu diesem Vorschlag nicht nur von den Arbeitgeberverbänden sondern auch von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Er signalisierte  Zustimmung, forderte aber eine Rückkehr auf den regulären Renteneintritt mit 65. Danach solle der Staat dann auf die Einkommenssteuer verzichten. Seine Zustimmung kam so überraschend schnell, dass die diejenigen, die reflexartig dagegen waren, gar nicht darauf einstellen konnten. Die Bundespitze der Linken lehnte empört ab und auch der DGB-Vorsitzende Sandro Witt kritisierte den Vorschlag. Aufgrund niedriger Rentenerwartung könne nicht von freiwilliger Weiterarbeit gesprochen werden, es würden Fachkräfte fehlen, weil Wirtschaft zu wenig ausgebildet habe waren die Argumente. Er forderte hingegen eine Entlastung der Rentenkasse durch eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbständige einzahlen. Der CDU Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag Mike Mohring signalisierte hingegen Zustimmung. Wer freiwillig länger arbeiten möchte, soll das auch tun dürfen», sagte Mike Mohring. „Davon haben auch die Unternehmen etwas.“ Bedingung sei für ihn jedoch, dass damit kein Erwartungsdruck gegenüber denjenigen aufgebaut werde, die mit dem Renteneintrittsalter aufhören wollten. Ich bin der Meinung, dass der Vorschlag von Weise in die richtige Richtung geht, nicht nur aus fiskalischen Gründen, sondern auch weil es darum geht Menschen eine erfüllende Aufgabe auch im Alter bieten zu können. Der Blick in die Statistik zeigt aber auch, dass es auch um die Frage gehen muss, was die Menschen mit der hinzugewonnenen Lebenszeit anfangen können und wollen. Es gibt zweifellos den Wunsch länger zu arbeiten, allerdings häufig mit reduzierten Stundenzahlen und flexiblen Arbeitszeitmodellen. Derzeit steigt die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer deutlich an. Dies hat vor allem mit der Arbeitsmarktsituation zu tun. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt bei 61 Jahren und die Lebenserwartung bei 78 Jahren für Männer und 83 Jahren für Frauen. Rentenpapst Prof. Bert Rürup hat schon vor zwei Jahren auf einer Demografietagung in Berlin geschildert, dass dieser Punkt zu einem makroökonomischen Problem wird. Das Bruttoinlandsprodukt wächst im Gegensatz zur Lebenserwartung der Menschen nur noch langsam. Der Rückgang des Erwerbstätigenpotentials und der nur noch flache Anstieg der Produktionsquote täten ein Übriges. Von 1916 bis 2012 war das Renteneintrittsalter konstant bei 65 Jahren. 1970 erhielten Rentner 11 Jahre Rente – heute durchschnittlich 18,5 Jahre. Hier gäbe es nur drei Möglichkeiten zu verteilungspolitischen Entscheidungen. 1. Beitragserhöhungen zur Rentenversicherung 2. Das Rentenniveau zu senken 3. Das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Rürup präferiert nach der Rente mit 67 die Maßnahme der Erhöhung des Renteneintrittsalters, allerdings erst in zehn Jahren, wenn man gesichert wisse wie sich die Rente mit 67 auswirkt. Ich denke auch, dass wir darum nicht herum kommen werden. Insbesondere nicht, wenn wir das sogenannte Bismarck-Modell bei der Rente beibehalten. Neben Deutschland findet sich dieses Modell in Österreich, Frankreich, Belgien und Luxemburg. Einkommensabhängige Beiträge finanzieren das System und die Leistungen sind dabei von der Höhe der Einzahlungen abhängig. Ziel dieses Systems ist es den Lebensstandard halten zu können. Hingegen verfahren viel andere Länder wie Großbritannien, Irland, Dänemark, Finnland und die Niederlande nach dem sogenannten Beveridge-Modell. Damit wird die Existenz von Ruheständlern gesichert. Die Leistungen sind nicht beitragsabhängig sondern werden als einheitliche Pauschale aus dem allgemeinen Steueraufkommen bezahlt. Beide Varianten müssen sich dem demografischen Wandel stellen und deshalb findet überall in Europa wie auch nun bei uns eine Diskussion zum Renteneintrittsalter statt. Ich bin gerne bereit, als Generationenbeauftragter an dieser Diskussion mitzuwirken. Ich bin fest der Überzeugung, dass viele Menschen im Alter eine verbindliche Aufgabe suchen und in flexibler Form ohne Zwang ein entsprechendes Angebot annehmen würden. Es stimmt, dass dies auch dazu dienen würde die teilweise an der Armutsgrenze liegenden Renten aufzubessern. Wer aber dagegen pauschal wettert, bleibt meist Alternativvorschläge schuldig.   Nachfolgend noch einige Angaben aus der Statistik: Einführung der Rente mit 63 führte zu Verlust von 200.000 Arbeitskräften, Deutsches Institut für Wirtschaft: 2020 werden 1,3 Mio. Fachkräfte fehlen   Von den 60-64-Jährigen waren: 2000   20 % erwerbstätig    62 % Rentner 2014   50 % erwerbstätig    37 % Rentner Als Bismarck 1889 die Alters- und Invaliditätsversicherung in Deutschland einführte, setzte er das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre fest. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer lag bei zwei Jahren.   Rentenbezugsdauer in Jahren:             Frauen                       Männer 1960   10,6                  9,6 1970   12,7                10,3 1980   13,8                11,0 1990   17,2                13,9 2001   18,9                13,8 2010   20,9                16,2 2013   21,5                17,0 (seit 1960 in etwa verdoppelt)     Land                        tatsächliches Rentenalter    gesetzliches Rentenalter Belgien                       61,6                                                   65 Bulgarien                   64,1                                     variiert nach gesammelten Pkt. Dänemark                  61,3                                                   65 Deutschland              61,7                                                   65 Estland                       62,1                                     Männer: 63 / Frauen: 61 Finnland                    61,6                                                  65 Frankreich                59,3                                                  60 Griechenland           61,4                                                   65 Großbritannien         63,1                                        Männer: 65 / Frauen: 60 Irland                        64,1                                                   65 Italien                       60,8                                                  62,5 Lettland                    62                                                      62 Litauen                     59,9                                                   61 Luxemburg              59,4                                                   65 Malta                        59,8                                                   60,5 Niederlande            63,2                                                   65 Österreich               60,9                                                   62,5 Polen                        59,3                                                   62,5 Portugal                   62,6                                                   65 Rumänien                64                                                      64 Schweden                 63,8                                                  64 Slowenien                59,8                                                   62 Slowakei                   58,7                                                   62 Spanien                    62,6                                                   65 Tschech. Republik   60,6                                        62 (variiert nach Kinderzahl) Ungarn                     59,8                                                   62 Zypern                      63,5                                                   65  

Die Rente bleibt sicher…

Die Diskussionteilnehmer in Weimar
…darüber waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Samstagvormittag in Weimar einig. Fraglich blieb nur, in welcher Höhe und ab wann sie zukünftig bezogen werden soll. Die Junge Union Weimar hatte die Initiative ergriffen und im Rahmen des 3. Politikbruches zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Senioren Union in den Kasseturm geladen. Im Podium diskutierten nach der Begrüßung durch den JU Kreisvorsitzenden Sebastian Gawron unter Moderation des stellvertretende JU Landesvorsitzenden Rico Chmelik der Vorsitzende der Senioren Union Thüringen Rolf Berend, der Junge Union Vorsitzende Stefan Gruhner und ich als Thüringer Generationenbeauftragter. Neben der Geschichte der Rente und dem jetzt anstehenden Herausforderungen ging es auch um die aktuelle Rentensituation. Seit 1889 gibt es das Rentensystem in Deutschland. Ursprünglich als Invaliditäts und Altersrente eingeführt, galt sie ab 70 Jahre und damals damit nur für 2 Prozent der Bevölkerung. Ab 1916 gilt das Rentenalter 65 und jetzt sind es 67. Allerdings werden die Menschen inzwischen deutlich älter – aktuell 79 Jahre Männer und 82 Jahre die Frauen. Durch den demografischen Wandel hat sich zudem das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern deutlich verändert. Um damit umzugehen gibt es mehrere Möglichkeiten – länger arbeiten, die Rentenhöhe für künftige Rentnergenerationen zu reduzieren oder den Beitragssatz zu erhöhen. Einzeln werden dieses Maßnahemen nicht funktionieren und ihnen fehlt die breite Akzeptanz. Deshalb ist es aber gut die verschiednenen Varianten ergebnisoffen zu diskutieren. Aktuell steht die Rentenangleichung Ost-West hoch auf der Agenda, dazu habe ich einige Erläuterungen in der Diskussion eingebracht: Zur Rentenanpassung zum 1. Juli 2013: für rund vier Millionen Rentner in den neuen Ländern steigen die Renten um 3,29 Prozent, Für die etwa 16 Millionen Rentner in den alten Ländern hingegen um 0,25 Prozent. Es gibt zwei Gründe für Unterschied: 1. Die beitragspflichtigen Löhne und Gehälter stiegen 2011 im Vergleich zu 2010 im Osten deutlich stärker als im Westen. 2. Im Westen machen sich noch Abschläge infolge der Rentengarantie bemerkbar. Wegen der eingebrochenen Löhne hätten die Renten in der Krise eigentlich sinken müssen, was die 2009 eingeführte Rentengarantie verhinderte. Im Gegenzug erhielt die junge Generation die Zusage, dass die Kosten der Rentengarantie in den Folgejahren schrittweise  wieder hereingeholt würden. Dieser Prozess ist im Osten bereits seit dem vergangenen Jahr abgeschlossen. Hintergrund ist, dass die Ost-Rentner in der Krise weit weniger auf die Schutzwirkung der Rentengarantie angewiesen waren als Ruheständler im Westen, wo insbesondere massive Exporteinbrüche auf die Löhne drückten. Zur Angleichung von West- und Ost-Renten: Der aktuelle Rentenwert in den neuen Ländern steigt mit der Rentenanpassung von 88,8 Prozent auf 91,5 Prozent des Wertes in den alten Ländern aber: Die Durchschnittsrenten der allgemeinen Rentenversicherung in den neuen Bundesländern sind sowohl für Männer als auch für Frauen derzeit heute höher sind als im Westen. (Sind allerdings in stärkerem Maße als im Westen oft einziges Alterseinkommen.) Ursache: Kombination längerer Erwerbsbiographien mit dem Hochwertungsfaktor für die Renten in den neuen Bundesländern, (Um das geringere Lohnniveau in den neuen Bundesländern nicht nachteilig auf die Rentenhöhe wirken zu lassen, werden die versicherten Arbeitsverdienste für die Rentenberechnung bis zur Angleichung der Lohn- und Einkommensverhältnisse mit einem Hochwertungsfaktor auf das Einkommensniveau der alten Bundesländer hoch gewertet.) Bei gleichen Rentenwerten in Ost und West entfiele der Hochwertungsfaktor. Durch eine schnelle Rentenanpassung würde also für viele ältere Bestands-„Ost“rentner die tatsächliche Rente sinken. Eine sich noch länger hinziehende Rentenanpassung würde allerdings wiederum jüngere Rentner im Osten mit stärker gebrochenen Erwerbsbiographien benachteiligen. Die intensive Diskussion am Samstag war ein wichtiger und guter Schritt für einen generationeübergreifenden Dialog – ich mach dabei auch in Zukunft gerne weiter mit.