Zentralistisches Denken führt zu zentralistischen Entscheidungen

Thierbach: Zentrale Vergabe in Arbeit
Heute ist der Internationale Tag der Familie. Da könnte man erwarten, dass es aus der Politik Signale gibt die dem Anliegen dieses Tages entsprechen. Seit 1993 gibt es diesen Tag nach einem Beschluss der UN und an diesem Tag soll die gesellschaftliche Anerkennung und Unterstützung in den Mittelpunkt gerückt werden. In Sonntagsreden wird gerne in der Politik die Wertschätzung für Familien betont. In den Wochentagsentscheidungen der Politik sieht das Ganze oft anders aus. Familien erwarten berechtigt Unterstützung und dies bedeutet auch sie in ihrer Eigenverantwortung zu stärken. Für die CDU gehören Eigenverantwortung und Wahlfreiheit, beispielsweise bei der Kinderbertreuung, eng zusammen. Wir wollen, dass sowohl Eltern, die ihre Kinder in der frühkindlichen Phase selbst betreuen, respektiert und unterstützt werden (Elterngeld und Betreuungsgeld, bzw in Thüringen das Landeserziehungsgeld), als auch Eltern die ihre Kinder in Krippen, Tagespflege oder Kitas betreut haben wollen. Wir haben in Erfurt rund 100 Krippen und Kitas sowie zusätzlich 80 Tagespflegemütter. Bei den Kitas gibt es viele verschiedene Träger mit ganz unterschiedlichen Konzepten. Eine echte Wahlfreiheit über die Art der Betreuung gibt es dennoch nicht, weil viele Eltern froh sein müssen, überhaupt einen Platz zu finden, bevor sie nach Wohnortnähe oder pädagogischen Konzept fragen. Es fehlen schlichtweg Plätze und die Verwaltung tut nicht genug um bedarfsgerecht neue Plätze zu schaffen, bzw. marode Kitas zu sanieren. Im Gegenteil – wie jüngst bei der Kita 3-Käse-Hoch und Bussibär plant die Verwaltung sogar die Schließung von Kitas. Die vermeindliche „Lösung“ die der zuständigen linken Sozialbeigeordneten Tamara Thierbach einfällt, ist eine Forderung nach einer zentralen Platzvergabestelle im Jugendamt (nachlesbar heute in der TLZ). Im Stadtrat wurde zwar ein zentrales Informationssystem über freie Plätze gefordert (im Mai 2011!), aber kein Vergabesystem, wie es Thierbach vorschwebt. Streit gab es dazu schon beim Haushalt 2014, als ein bereits gestehendes Informationssystem Kibeo für 100.000 Euro konzipiert werden sollte. Seitdem war bis zum heutigen TLZ-Artikel nichts Neues zu dem Thema zu hören. Wenn es zutreffend ist, wie sie heute in der TLZ erklärt, dass eine zentrale Vergabe „in Arbeit“ sei wird sie wohl in Erklärungsnöte kommen. Dann hätte die Verwaltung offensichtlich Potential sich um Aufgaben zu kümmern, für die sie vom Stadtrat nicht autorisiert ist. Thierbachs Begehren nach einer sogenannten Onlinevergabe könnte aber fachlich gesehen auch nur ansatzweise funktionieren, wenn es genug Kita-Plätze gäbe. So wie es jetzt ist, würde damit nur das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern  völlig ausgehebelt und in der Vergabestelle gäbe es nur eine kommunal organisierte Mangelverwaltung. Dies mag eine linke Lösungsvariante sein – tatsächlich folgt diese zentralistische Vergabe einer bekannt linken Denkweise. Die Linken meinen generell, es ginge schon gerecht zu, wenn es allen gleich schlecht geht! Auch zu DDR-Zeiten praktizierten sie bei Versorgungsmängeln am liebsten eine zentralistische Vergabeweise. Für Trabis galt das ebenso wie für Ostsee-Zeltplätze. 25 Jahre nach der Wende ist das nicht mehr zeitgemäß! Wie wenig Thierbach von Trägerpluralität hält, wird dann im letzten Absatz des Zeitungsartikels in der TLZ deutlich. Da droht Thierbach damit, dass eine Onlinevergabe den freien Trägern sogar vorgeschrieben werden könne, gekoppelt an die Anerkennung ihrer Plätze durch das Amt. Ich hoffe sehr die Kita-Träger und die Eltern verfolgen sehr aufmerksam, welche Signale von einer linken Sozialbeigeordneten zum Internationalen Tag der Familie ausgesandt werden!

Anspruch und Realität – Neues KitaG in Thüringen und Erfurt

Rathaus
Ungewohnte Töne aus dem Erfurter Rathaus
Seit dem 1. August gilt das vom Landtag beschlossene neue Kita-Gesetz in Thüringen. Wesentliche Eckpunkte sind der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag des Kindes, das Landeserziehungsgeld im Anschluß an das Bundeselterngeld und vor allem deutlich verbesserte Personalschlüssel in den Kita-Gruppen. Das Land trägt die Mehrkosten zu 100 Prozent – eigentlich könnten die Eltern zufrieden sein. In Erfurt können die Eltern dies nicht, denn das KitaG wird nur teilweise umgesetzt. Die in der kommenden Woche im Jugendhilfeausschuß zur Beratung anstehenden Vorlagen des Jugendamtes machen dies überdeutlich. Entsetzt hat mich zudem die Einstellung unseres Oberbürgermeisters und des zuständigen Fachdezernats zum neuen KitaG. Da sich sowohl Oberbürgermeister Bausewein (SPD) als auch Sozialbeigeordnete Thierbach (Linke) für das Kita-Volksbegehren massiv einegsetzt haben, enttäuscht es nun um so mehr, dass sie bei der Umsetzung nun so schwächeln. Beraten wird am kommenden Mittwoch in öffentlicher Sitzung unter anderem über die Kita-Bedarfsplanung 2010/2011 nach Maßgabe des neuen Gesetzes (Tagesordnungspunkt 6.2.). Errechnet hat das Jugendamt dabei: „Insgesamt werden in Erfurt zusätzlich 103 VbE gegenüber dem bisherigen Personalbestand in den Kindertageseinrichtungen benötigt…. Zu welchem Zeitpunkt die vollständige Besetzung erreicht ist, kann erst im Laufe des nächsten Jahres gesagt werden.“ (Zitat aus der Drucksache 1206/10 des Jugendamtes). Im Klartext heißt dies jedoch, das Jugendamt plant sogar nur 91 VbE im Bedarfsplan für 2010/2011 mehr (882,09 VbE stehen im Plan 2010/2011 (Drucksache 1059/10) statt 791,23 VbE 2009/2010 – warum werden die anderen zwölf unterschlagen???), kann aber noch nicht einmal für diese Stellen sagen, wann und ob die Erzieherinnen irgendwann auch eingestellt werden. Warum in Erfurt im Gegensatz zur Aussage des Kultusministeriums „jede Stelle in Thüringen kann mit Fachkräften besetzt werden“ anders ist, wird bei der Beantwortung einer Stadtratsanfrage von mir zur Entlohnung der Erzieherinnen deutlich, die als nachfolgender Tagesordnungspunkt am Mittwoch (TOP 7.1.) aufgerufen wird. Da erklärt das Jugendamt, dass in Erfurt grundsätzlich Erzieherinnen nur für 32-Wochenstunden-Stellen eingestellt werden. Keiner einzigen  Erzieherin wurde bis jetzt eine Vollzeitstelle angeboten und daran soll sich auch zukünftig nichts ändern „Es ist aus pädagogischer und organisatorischer Sicht  zu keiner Zeit erwogen worden, die Erzieherinnen und Erzieher des Jugendamtes wieder „Vollzeit“ arbeiten zu lassen.“ (Zitat) und somit werden „auch künftig nur Stellen mit 32 Wochenstunden ausgeschrieben.“. Mit organisatorischer Sicht meint die Stadt vor allem finanzielle Fragen und Teilzeitstellen lassen sich nun mal leichter hin und herschieben. Die Frage ist nur, ob dies im Interesse der Erzieherinnen  ist! Dass eine junge ausgebildete Erzieherin auch gerne in Vollzeit und nicht nur zu 3/4 arbeiten möchte und wir deshalb in Erfurt nicht genügend Erzieherinnen finden, überrascht mich nicht, aber dem Jugend- und Personalamt scheint dies völlig egal. Solange nicht genug Erzieherinnen da sind hat man ja immer die passende Ausrede, warum die Personalschlüssel des neuen Gesetzes (noch) nicht umgesetzt werden. Beim Oberbürgermeister, der Beigeordneten und dem Jugendamtsleiter stimmt aber auch die Grundeinstellung zum neuen Gesetz nicht. Unter TOP 7.2. steht am Mittwoch der Bericht zum neuen Kita-Gesetz an. Der Bericht, autorisiert vom OB, Berichterstatterin Beigeordnete Tamara Thierbach, erarbeitet in Verantwortung des Jugendamtsleiters Hans Winklmann, enthält Aussagen die überhaupt nicht zu den Sonntagsreden zur Kinderförderung passen. Alle Parteien haben um eine Absenkung des Betreuungsrechtsanspruchs gerungen. Im neuen KitaG steht der Rechtsanspruch ab dem 1. Geburtstag, die Linkspartei fordert in Wahlkampfreden sogar den Betreuungsrechtsanspruch ab Geburt. Im Bericht zum neuen KitaG schrieben Bausewein, Thierbach und Winklmann völlig entgegengesetzt zum Rechtsanspruch ab einem Jahr: „Mit Blick darauf, dass Eltern in der heutigen Zeit gezwungen sind, Kinderbetreuung beruflichen Zwängen unterzuordnen, kann diese Regelung verstanden werden. Als Interessenvertretung von Kindern müssen solche Bestimmungen jedoch kritisch betrachtet werden. In Abwägung welche Werte (Kindeswohl versus Berufstätigkeit) Vorrang haben, kann die Antwort nur zugunsten von Kindeswohl ausfallen.“ (Zitat). Eine solche Aussage ist ja wohl der Hammer! Außer Christa Müller (Lafontaine) hat dies noch keine Linke so artikuliert, denn gemeint ist damit, Kinder sind in der frühkindlichen Entwicklung am besten gemäß Kindeswohl zu Hause und nicht in einer Einrichtung aufgehoben! Kaum ein konservativer Politiker könnte sich erlauben, so etwas öffentlich zu sagen! Noch heftiger wird es im nächsten Absatz. Da wird Arbeitslosen, Hausfrauen und Hartz IV-Empfängern quasi der Rechtsanspruch auf die gesetzlich formulierte Ganztagsbetreuung bis zu 10 Stunden in Frage gestellt mit den Worten: “ Meines Erachtens ist dies vor allem dann nicht im Interesse des Kindes, wenn z.B. Eltern ohne Berufstätigkeit zu Hause sind und das Kind 10 Stunden in einer Krippe betreuen lassen.“ (Zitat). Ob diese Position die vereinzelte Meinung von Bausewein, Thierbach und Winklmann ist, oder ob zwischenzeitlich sich die Auffassung der Linken und der SPD zum Thema so deutlich gewandelt hat, werden wir kommenden Mittwoch erfragen. Es bleibt der fade Beigeschmack, dass in Erfurt das neue KitaG nicht ab dem 1. August umgesetzt wird, weil die Stellungnahme mit der Aussage endet: „Trotzdem wird es auch in Erfurt in nächster Zeit noch dazu kommen, dass Kinder im Alter von 1-2 Jahren keinen Platz in einer Einrichtung finden.“ (Zitat). Die Personalaufstockung wird aus dem beschriebenen Personalmangel und der Arbeitszeitverkürzung des vorhandenen Personals auch nicht überall stattfinden. In der TLZ vom heutigen Samstag erklärt Kultusminister Matschie „1.500 neue Stellen für Erzieherinnen seinen geschaffen und von den Trägern besetzt worden. Engpässe seien ihm nicht bekannt.“. In Weimar, Jena und Bad Berka freut sich die AWO zu Recht über ihr neues Personal. In Erfurt wird sich das Thema wohl noch einige Zeit halten, vielleicht kann das Kultusministerium bei der Erfurter Genossen mal mit Durchführungshinweisen helfen…