Francis Underwood ist US-Präsident!

Staffel 1 bis 4 von House of Cards
Staffel 1 bis 4 von House of Cards
Meine direkte Reaktion auf das Ergebnis der US-Wahl in der vergangenen Nacht war es heute in den Media-Markt zu gehen und mir dort eine DVD zu kaufen. Das wollte ich schon länger und nun war es der richtige Anlass. Daheim habe ich sie sofort in den DVD-Recorder gelegt und mich davon überzeugt – immer noch ist Francis Underwood US-Präsident! OK zugegeben, zunächst nur in der 4. Staffel von House of Cards. Angesichts des Wahlergebnisse der vergangenen Nacht habe ich mir aber erst einige Gedanken gemacht und (entgegen sonstiger Gewohnheiten) der Versuchung widerstanden, postwendend diese Gedanken bei Facebook oder via Twitter heraus zu posaunen. Allerdings nahm ich den ganzen Tag über staunend zur Kenntnis, wie viele Menschen innerhalb kürzester Zeit Politikexperten geworden sind und sogar transatlantische Experten. Darunter sind erstaunlich viele, die sich sonst weder für die deutsche Politik interessieren, noch jemals in den USA waren, oder gar mit Amerikanern Kontakt pflegen. Wie in den vergangenen Wochen auch (insbesondere viele Journalisten) sind sie schnell bei der Sache Urteile zu fällen, Untergangszenarien zu malen oder die US-Wähler zu kritisieren. Um es deutlich zu sagen, sympathisch ist mir Donald Trump nicht und ganz sicher hätte es bessere Kandidaten gegeben. Aber sowohl die Kandidatenauswahl der Republikaner, als auch die Wahlentscheidung der Mehrheit der Amerikaner ist zunächst die souveräne Entscheidung eines anderen Landes. Schlaue Ratschläge oder gar Wunschkandidaten entsprechen der deutschen Mentalität (quer durch alle Parteien), aber hatten einen Effekt nahe Null. Selbst der „engagierte Wahlkampf“ von SPD-Vize Stegner hat wahrscheinlich Hillary Clinton mehr geschadet als genützt. Die mediale Landschaft war in Deutschland auf alles vorbereitet, nur nicht darauf, dass Trump gewinnt. Sie hatten sich auch klar positioniert und manches Titelblatt machte dies überdeutlich. Mehrere Spiegeltitelblätter weckten Assoziationen zum Spiegeltitelblatt am Wahlsonntag 1983 „Birne darf nicht Kanzler werden“. Auch daran darf man einmal erinnern!
Vom britischen Kartenhaus habe ich Buch und DVD
Vom britischen Kartenhaus habe ich Buch und DVD
Aber zurück zu House of Cards: Das Agieren von Francis Underwood auf dem Weg zur Präsidentschaft (mit Sex, Mord, Totschlag und Intrigen) wurde und wird von vielen Zuschauern mit Interesse und Sympathie verfolgt und nicht wenige dieser Zuschauer sind nun felsenfest überzeugt, dass FU die intelligentere Variante eines skrupellosen Trumps sei und sie rechnen demzufolge nun mit jeder nur denkbaren Form des Weltuntergangs. Bevor sich dies aber nun alles an Amerika fest macht, erinnere ich daran – das Original von House of Cards (ein Kartenhaus) stammt aus dem Brexit-Land. Anfang der 90er Jahre war dort Francis Urquhart der skrupellose Karrierepolitiker in einer Serie der BBC. Im Fernsehen fällt es den Menschen durch die Distanz (ist ja nur ein Film) oft leicht Sympathie für die fiesen Typen zu entwickeln. In meiner Jugend war die Fernsehserie Dallas das beste Beispiel. Jeder wollte lieber der skrupellose J.R. Ewing sein – Bobby Ewing wollte, so nett er auch war, keiner sein. Im richtigen Leben sieht das anders aus. Ich persönliche denke nicht, dass es zu dramatischen Änderungen kommen wird. Wenn der Pulverrauch des Wahlkampfes verzogen ist wird es auch im Weißen Haus wieder eine sachbezogene Politik geben, denn Trump wird entgegen landläufiger Meinung nicht alleine regieren. Der scheidende Präsident Barack Obama sagte heute dazu, auch morgen wird wieder die Sonne aufgehen. Der Thüringer Ministerpräsident hätte sagen können „es wird auch weiter Bananen in Amerika geben“ – hat er aber nicht 😉 Die 4. Staffel von House of Cards werde ich mir,wie alle Staffeln zuvor, mit Begeisterung in den nächsten Tagen ansehen – viel lieber als irgendwelche Talkshows mit dubiosen Wahlanalysen und empörten Stellungnahmen. Und ja, ich werde auch weiter in die USA fliegen. In den Osterferien im nächsten Jahr werde ich zum fünften Mal dort sein und dieses Mal mit meinen drei Jungs dorthin fahren. Das erste Mal war ich zu einer politischen Bildungsreise mit der USIA 1994 dort. Das zweite Mal während der Wahlkampfzeit 1996 (Bill Clinton gegen Bob Dole) danach im Sommer 2000, als gerade in Los Angeles die Democratic National Convention war (da wurde Al Gore Präsidentschaftskandidat der Demokraten) und schließlich noch einmal zu einer politischen Bildungsreise von KAS und AJC im Jahr 2002.

Familie, Vereine, Gemeinde – Was unsere Gesellschaft zusammenhält

kas-31Der Titel des Transatlantischen Dialogs der Konrad Adenauer Stiftung Sozialpolitik in den USA und in Deutschland bot gleich mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Gemeinsam mit der Konsulin Teta Moehs vom Amerikanischen Generalkonsulat in Leipzig habe ich versucht das Thema aus dem Blickwinkel unserer beiden Länder zu beleuchten.

Zweifellos geht es dabei um die Frage wie viel Staat die Gesellschaft trägt und wie viel Staat die Gesellschaft erträgt. Unstrittig war in der Diskussion, dass die Familie der Kernort gelebter Generationenbeziehungen ist, in dem Menschen füreinander Verantwortung tragen. Allerdings gibt es schon beim Vereinsleben erhebliche Unterschiede. Über 700.000 Thüringerinnen und Thüringer engagieren sich ehrenamtlich, die meisten in Vereinen in denen nach deutschem Vereinsrecht vieles geregelt ist. Sie verbindet das gemeinsame Interesse an einem Thema oder das gemeinsame Ziel. In den USA entstehen viele Vereine im Umfeld von Schulen oder Universitäten bzw. in der  Nachbarschaft, selbst Parteien haben überregional nicht die große Bedeutung als Mitgliederparteien. Hingegen gibt es eine ausgeprägte Lobbykultur und ein starkes Stiftungswesen.

Bei der Erwartungshaltung an die Gemeinde und den Staat wurden die Unterschiede am deutlichsten. Sowohl im Verständnis vom Staat als auch in der Erwartungshaltung an den Staat gibt es erhebliche Unterschiede. Die Differenzen bestehen nicht in der Sozialpolitik selbst, sondern bereits im ihr zugrundeliegenden Gesellschafts- und Staatsverständnis und dies hat eine lange Tradition.

Im angelsächsischen Raum war John Locke prägend, er baut auf die Theorie vom Gesellschaftsvertrag von Thomas Hobbes auf, wonach die Beziehung zwischen Volk und Regierung als Verhältnis einer freien bürgerlichen Eigentümergesellschaft verstanden wird. Er begründet, warum die Macht des Herrschenden eingeschränkt sein soll und er spricht sich damit für einen liberalen Staat aus, der sich nicht mehr als unbedingt erforderlich in die Belange der Bürger einmischen soll.

In den USA gab es einen starken Einfluss der Unterdrückungserfahrungen der Flüchtlinge und Aussiedler in Europa und der Erfahrungen der freien Siedler in Amerika.

In Deutschland war Georg Wilhelm Friedrich Hegel einflussreich. Nach seiner Auffassung stelle der Staat die Wirklichkeit des Rechts dar. In ihm realisiere und vollende sich die Freiheit. Eben deswegen sei es für die Einzelnen „höchste Pflicht […], Mitglieder des Staats zu sein“. Der wohlgeordnete Staat bringe das Interesse des Einzelnen und das Allgemeininteresse in Einklang. In ihm verwirkliche sich die konkrete Freiheit, in der „weder das Allgemeine ohne das besondere Interesse, Wissen und Wollen gelte und vollbracht werde, noch die Individuen bloß für das letztere als Privatpersonen leben und nicht zugleich in und für das Allgemeine wollen“. Wenn der Staat die Interessen in Einklang bringen soll, heißt das, er hat die gesellschaftlichen Verhältnisse so zu regulieren, dass Individuen vor elementaren sozialen Risiken und vor unverschuldeter Armut bewahrt werden.

In Deutschland gehört das Sozialstaatsprinzip neben dem Rechtsstaats-, dem Bundesstaats- und dem Demokratieprinzip zur Grundlage der Verfassungsordnung. Das Grundgesetz bestimmt in Art. 20 Abs. 1: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Das Sozialstaatsprinzip ist damit im Grundgesetz als Staatsziel verankert und verpflichtet den Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die Verwaltung dazu, nach sozialen Gesichtspunkten zu handeln und die Rechtsordnung dementsprechend zu gestalten.

Schon seit 1854 beginnend mit dem Preußischen Knappschaftsgesetz reagiert der Staat auf soziale Herausforderungen und übernahm Sicherungsfunktionen. Krankenversicherung 1883, Unfallversicherung 1884, Rentenversicherung 1889, 1927 Arbeitslosenversicherung sind wichtige Meilensteine. Die Liste der Gesetze der Sozialpolitik ist lang bis zu den Sozialgesetzbüchern, der Pflegeversicherung, Gesetzen zur Tagesbetreuung und nun zum Betreuungsgeld. Daraus folgt auch in Deutschland eine intensive Diskussion, die je nach politischer Verortung unterschiedliche Antworten gibt. Es stellen sich Fragen:

– zur möglichen Überforderung des Sozialstaates,

– zur Stärkere Rolle der Zivilgesellschaft und von Freiwilligen,

– zum „aktivierenden Staat“ statt „aktiven Staat“ bzw. „Vater Staat“ vs. „schlanker Staat“,  

„Neue Soziale Marktwirtschaft“,  

„Kommunitarismus“,  

„Neue Subsidiarität“ und „Wohlfahrtspluralismus“,  

„soziale Daseinsvorsorge

Zur Daseinsvorsorge gibt es durchaus Interpretationsspiel und in der Regel weitet sich die Erwartungshaltung an die Daseinsvorsorge kontinuierlich aus. (Daseinsvorsorge ist ein verwaltungsrechtlicher Begriff, der auch in der politischen und sozialwissenschaftlichen Diskussion eine Rolle spielt. Er umschreibt die staatliche Aufgabe zur Bereitstellung der für ein menschliches Dasein als notwendig erachteten Güter und Leistungen − die sogenannte Grundversorgung. Dazu zählt als Teil der Leistungsverwaltung die Bereitstellung von öffentlichen Einrichtungen für die Allgemeinheit, also Verkehrs- und Beförderungswesen, Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsversorgung, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, Friedhöfe, Bäder usw. (Infrastruktur). Dabei handelt es sich größtenteils um Betätigungen, die heute von kommunalwirtschaftlichen Betrieben wahrgenommen werden.)

In Ameria wird bei vielen Leistungen auf Eigeninitiative gesetzt. Für die Lösung von Problemen im sozialen Nahraum tun sich die Menschen zusammen. Aber am US-amerikanischen Modell gibt es auch Kritik, u.a. dass die Koordination der Aktivitäten weitgehend fehle. Zudem arbeit Initiativen, ohne von ihren sich oft überschneidenden Aktivitäten zu wissen und die Verortung der Hilfen sei oft nicht zielgerecht.

Diskutiert haben wir gestern auch die Stiftungsmentalität. In Deutschland gibt es 19.000 – in Thüringen aber nur 250. 7 Bürgerstiftungen gibt es in Thüringen – mehr als in den anderen Ost-Ländern, aber weniger als im Westen. Das Stiftungsstartkapital liegt durchschnittlich in Thüringen bei 41.000 (im Bundesdurchschnitt 161.000 Euro). Auch die größte deutsche Stiftung, die Robert Bosch Stiftung ist Lichtjahre entfernt von der Bill und Melinda Gates Stiftung, in die der Microsoft-Gründer über 31 Milliarden US-Dollar seines Privatvermögens eingebracht hat.