Dringliche Anfrage für den Stadtrat der Landeshauptstadt Erfurt zur Stadtratssitzung am 15. Dezember 2010 – öffentlich – mit der Antwort des Oberbürgermeisters
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Erfüllung der Winterdienstpflichten durch die Stadt wird von vielen Erfurterinnen, Erfurtern und Gästen als unzureichend eingeschätzt. Gleichzeitig erreichen die Fraktion Beschwerden von Bürgern, die verwarnt werden bzw. denen Ordnungswidrigkeitsverfahren angedroht werden und die das als völlig unverhältnismäßig im Verhältnis zum winterlichen Gesamtzustand der Stadt ansehen.
Da die Kalt- und Schneewetterperiode derzeit aktuell ist, ergeben sich vor diesem Hintergrund dringliche Fragen an den Oberbürgermeister:
Sehr geehrter Herr Panse
zu Ihrer Anfrage beziehe ich wie folgt Stellung:
1. Wie schätzt der Oberbürgermeister die Erfüllung des Winterdienstvertrages durch die SWE Stadtwirtschaft GmbH und die Aufgabenerfüllung im Winterdienst durch die Ämter und Eigenbetriebe der Stadtverwaltung (z. B. Amt für Grundstücks- und Gebäudeverwaltung, Erfurter Sportbetrieb, Amt für Bildung, Kulturdirektion, Tiefbau- und Verkehrsamt, Garten- und Friedhofsamt) ein?
Entsprechend den Vorschriften des Thüringer Straßengesetzes wird den Gemeinden die Pflicht auferlegt, die öffentlichen Straßen nach Maßgabe Ihrer Leistungsfähigkeit von Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen, soweit das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist zwischen dem Fahrbahn- und dem Gehwegwinterdienst zu unterscheiden.
Für die Winterdienstpflichten auf der Fahrbahn bedient sich die Stadt der SWE Stadtwirtschaft Erfurt als beauftragten Dritten, die selbstständig tätig wird. Den Winterdienst auf Gehwegen hat die Stadt mit der Straßenreinigungssatzung auf die Grundstückseigentümer übertragen. Im Stadtgebiet Erfurt werden 15 Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 18t mit Streuautomaten und Schneepflügen im Fahrbahnwinterdienst durch die SWE Stadtwirtschaft eingesetzt. Der Einsatz erfolgt bei den gegenwärtigen Witterungsbedingungen täglich von ca. 3 Uhr bis 22 Uhr. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Winterdienstpflichten, außer auf Bundesautobahnen, zeitlichen Grenzen unterliegen. Insofern beschränkt sich die Räum- und Streupflicht auf den öffentlichen Straßen von Kommunen grundsätzlich auf die Hauptverkehrszeit, in der Regel zwischen 6 und 22 Uhr. Wer außerhalb dieses Zeitraums unterwegs ist, muss etwaige Gefahrensituationen selbst tragen und kann nicht verlangen, dass auch zur Nachtzeit Räumund Streumaßnahmen durchgeführt werden.
Die SWE Stadtwirtschaft GmbH ist seit Beginn der winterlichen Wetterverhältnisse kontinuierlich im Einsatz. Dass es auf Grund der erheblichen Schneemengen und der immer wieder einsetzenden Schneefälle sowie Schneeverwehungen zu Verzögerungen kommt, ist verständlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter dem Grundsatz der Befahrbarkeit unter winterlichen Bedingungen einzuschließen ist, dass mit Behinderungen durch Schneereste oder je nach Witterungsbedingungen auch mit einer geschlossenen Schneedecke gerechnet werden muss. Auch Reif- und Eisglätte kann nicht ausgeschlossen werden. Des Weiteren bedient sich die Stadt der SWE Stadtwirtschaft GmbH als beauftragten Dritten für einen Teilabschnitt auf Gehwegen (Querungen, Gehwege ohne Anlieger, Fußgängerüberwege). Auch der beauftragte Dritte hat sich an die satzungsrechtlichen Inhalte der Straßenreinigungssatzung der Stadt Erfurt zu halten. Hierzu werden insgesamt 30 Fahrzeuge für die Räumung eingesetzt. 14 Kleinfahrzeuge über 7,5t und sogenannte Kleintechnik – 16 Stück (Kleintraktoren, Geländefahrzeuge) mit entsprechender Wintertechnik, die vor allem bei den Subunternehmen zum Einsatz kommt. Immer wieder ist auch die winterdienstliche Betreuung von Plätzen, insbesondere in der Innenstadt ein Thema des öffentlichen Interesses.
In diesem Zusammenhang wird nochmals darauf hingewiesen, dass auch an öffentlichen Plätzen, wie Willy-Brandt-Platz, Anger, Fischmarkt oder Domplatz die Pflichten zur Sicherung der Gehwege auf die anliegenden Grundstückseigentümer übertragen sind. Zusätzlich zu den Anliegerpflichten werden Teilflächen (Querungsmöglichkeiten) für die Begehbarkeit durch den Fußgängerverkehr durch die SWE Stadtwirtschaft im Auftrag der Stadt beräumt und bestreut (bspw. im Bereich des Angers auf einer Breite von ca. 3m). Ebenfalls wird von der EVAG die winterdienstliche Betreuung der selbständigen Haltestellenbereiche abgesichert. Ergänzend hierzu ist der gesamte Gleisbereich der Fußgängerzone Bahnhofstraße, Anger, Schlösserstraße, Marktstraße und Domplatz im Straßenwinterdienst im D II Netz eingeordnet. Keinesfalls muss aber ein gesamter Platz gesichert werden, was auch finanziell nicht vertretbar wäre.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann festgestellt werden, dass der Winterdienstvertrages durch die SWE Stadtwirtschaft GmbH erfüllt wird. Aufgetretene Beanstandungen wurden umgehend mit dem beauftragten Dritten geklärt. Das Garten- und Friedhofsamt der Stadtverwaltung ist als hausverwaltendes Amt für die Anliegerpflichten an öffentlichen Grünflächen und Parkanlagen zuständig. Darüber hinaus besteht ein zu erbringender Leistungsanteil zur Durchführung des Winterdienstes durch die dem Gartenund Friedhofsamt zugeteilten Stützpunkte Egstedt, Stotternheim und Vieselbach für die eingemeindeten Ortschaften. Der Leistungsumfang beinhaltet den Gehwegwinterdienst auf öffentlichen Straßen ohne Anlieger sowie auf Brücken und Fußgängerüberwegen, den Auf- und Abbau sowie die Betreuung von Streusandcontainern und den Straßenwinterdienst auf öffentlichen Straßen des Dringlichkeitsnetzes D III.
Bis auf vereinzelte Hinweise gab es den Gehwegwinterdienst betreffend keine begründeten Beanstandungen. Nach der Abarbeitung des Gehwegwinterdienstes wird im Rahmen der personellen und fahrzeugtechnischen Ausstattung der Fahrbahnwinterdienst im D III – Netz durchgeführt. Für die Abwicklung des Winterdienstes in den 28 Ortschaften stehen lediglich 29 Mitarbeiter zur Verfügung. Das macht deutlich, dass der Durchführung des Fahrbahnwinterdienstes Grenzen gesetzt sind. Es wird eingeschätzt, dass ca. 20-25 % dieser Straßen winterdienstlich betreut wurden. Des Weiteren gestaltet es sich durch die niedrigen Temperaturen und den erheblichen Schneemengen für die Stützpunkte schwierig, mit der vorhandenen Technik den Schnee ohne weiteres fortbewegen zu können, so dass erst gestreut und in einem zweiten Arbeitsschritt der angetaute Schnee zur Seite geschoben wird. Durch das Amt für Grundstücks- und Gebäudeverwaltung werden alle zum Bereich des Amtes gehörenden Objekte, wie Schulen, Kindertagesstätten, Verwaltungsgebäude, Museen usw. im winterdienstlich betreut. Diese 257 Objekte sind in der überwiegenden Zahl per Vertrag an Dienstleister übergeben. Die Schulhausmeister und Hausarbeiter sichern den Winterdienst werktags an den Schulobjekten ab. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen werden diese Aufgaben ebenfalls durch Dienstleister abgesichert.
Durch die Verwaltung werden stichprobenartige Kontrollen durchgeführt um gegebenenfalls auftretende Mängel sofort zu beseitigen. Im Rahmen von Veranstaltungen bzw. Märkten, die in der Zuständigkeit der Kulturdirektion liegen, besteht ein Vertrag zur Reinigung und Entsorgung auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt. Bei winterlichen Witterungsverhältnissen werden diese Leistungen entsprechend umgewandelt (Räumen, Streuen, u.a.), so dass auch in den zurückliegenden Jahren keine Probleme aufgetreten sind. Der diesjährige Wintereinbruch hat jedoch zu größeren Problemen auf dem Domplatz geführt, an deren Beseitigung der Straßenbetriebshof des Tiefbau- und Verkehrsamtes sowie die Bauhütte Petersberg erfolgreich tätig waren.
Die Straßenreinigung und der Winterdienst an den dem Theater Erfurt zugeordneten Gebäuden werden gemäß der gültigen Straßenreinigungssatzung durch das Theater Erfurt selbst erbracht. Der Winterdienst ist in ständiger Bereitschaft (24 Stunden) und wird bei Notwendigkeit – bedingt durch den Spielbetrieb – auch nach 22 Uhr durchgeführt. Die Kosten werden aus dem Haushalt des Theater Erfurt beglichen. Der Erfurter Sportbetrieb regelt den Winterdienst an Objekten, die nicht durch eigenes Personal winterdienstlich betreut werden können, durch Verträge mit Sportvereinen oder externen Firmen. Seitens des Bürgeramtes wird eingeschätzt, dass die Ämter und Eigenbetriebe der Stadtverwaltung im Rahmen ihrer personellen Möglichkeiten den geregelten Verpflichtungen nachkommen. Alle Beteiligten sind bemüht, die Maßnahmen so zu koordinieren, dass die Einschränkungen durch den starken Schneefall möglich gering ausfallen.
2. In welcher Korrelation steht diese Einschätzung zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 11, Absatz 1, Nummer 2 der Straßenreinigungssatzung?
Durch die Vollzugsdienstkräfte der Abt. Stadtordnungsdienst werden auf Grund der starken Schneefälle verstärkt Kontrollen im gesamten Stadtgebiet zur Durchsetzung der Räum- und Streupflicht auf der Grundlage der Straßenreinigungs- und Winterdienstsatzung der Landeshauptstadt Erfurt durchgeführt. Bei der Feststellung von Verstößen wird der Reinigungspflichtige, unabhängig von der Eigentümereigenschaft, mittels eines Informationsschreibens auf die Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht hingewiesen. Gleichzeitig wird der Sachverhalt fotodokumentiert und zeitnah eine Nachkontrolle durchgeführt.
Seit Einbruch der Winterperiode im 4. Quartal 2010 wurden 178 Grundstückseigentümer zur Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht aufgefordert. Bei den durchgeführten Nachkontrollen musste bei 51 Grundstücken erneut festgestellt werden, dass den Verpflichtungen nicht nachgekommen wurde. Die Verstöße wurden mittels Ordnungswidrigkeitsanzeigen und dazugehöriger Fotodokumentation zur Einleitung von weiteren Maßnahmen gefertigt. Des Weiteren werden durch das Team Straßenreinigung/Winterdienst bei entsprechenden winterlichen Witterungsbedingungen, die entsprechend der Rechtssprechung im Rahmen der Amtspflicht obliegenden Überwachungspflichten mittels Kontrollen zur Einhaltung des Winterdienstes sowohl auf Fahrbahnen als auch auf Gehwegen wahrgenommen. Bei Notwendigkeit werden weitere Maßnahmen eingeleitet. Auf Hinweise aus der Bevölkerung reagiert das Team Straßenreinigung/Winterdienst umgehend mittels entsprechender Überprüfung vor Ort. Weiterhin ist das Tiefbau- und Verkehrsamt, insbesondere die Straßenmeister der Abteilung Straße/Brücke, durch eine interne Dienstanweisung zu stichprobenartigen Kontrollen zur Einhaltung des Winterdienstes auf Fahrbahnen und Gehwegen im Rahmen der Amtspflicht angehalten. Auch von dieser Seite gehen regelmäßig Hinweise beim Team Straßenreinigung/Winterdienst ein, welche entsprechend weiterverfolgt werden.
3. Mit welchem zusätzlichen Mitteleinsatz könnte welche zusätzliche Winterdienstleistung erbracht werden?
Das Vertragsvolumen/der Festpreis von rund 1,68 Mio. € für den Leistungsumfang der SWE Stadtwirtschaft ist bis 2011 vereinbart. Damit gilt es im Frühjahr 2011 eine neue Kalkulation mit ggf. verändertem Leistungsumfang zu erarbeiten. Um diese Leistungen zu planen, sind die im Kalkulationszeitraum im Stadtgebiet zur erwartenden Schneetage, Eistage und das Ausmaß an Niederschlagsmengen ausschlaggebend. Zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Kalkulation sind die zu erwartenden Witterungsbedingungen in ihrer tatsächlichen Höhe kaum abschätzbar. Um eine Prognose mit hinreichender Genauigkeit zu erhalten, sind die klimatischen Verhältnisse der letzten 10 Jahre auszuwerten und die entsprechenden Erfahrungswerte zu ermitteln. Allein die Berücksichtigung der letzten Winterperioden wird bei einem gleichbleibendem Leistungsumfang zu einer nicht unerheblichen Erhöhung der Kosten für die folgenden Haushaltsjahre führen. Zudem besteht ein erhöhter Bedarfe im Bereich des Einsatzes von Schneefangzäunen sowie in der Standorterweiterung von Streugutbehältern. Bereits in der Anlage der DS 0385/10 wurde der finanzielle Mehrbedarf mit Summen beziffert, welche ich Ihnen als Anlage beifüge.
Mit freundlichen Grüßen
A. Bausewein