Vortrag bei der Begleitveranstaltung zur Ausstellung „Mit 100 hat man noch Träume“, 22. Oktober 2014, Lutherhaus Jena, Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Jena
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Veranstalter haben mir für meinen Vortrag das Thema gestellt: „Alte, die immer aktiver werden und Junge, die es wegzieht – Generationen im Wandel! Stirbt Thüringen aus oder welche Projekte brauchen wir?“
Mein Vortrag gehört zum Rahmenprogramm der Ausstellung „Mit 100 hat man noch Träume“. Es war mir eine Freude, diese Ausstellung mit Fördermitteln aus meinem Bereich unterstützen zu können. Der Titel der Ausstellung trifft die Aussage, dass von etwas zu träumen kein alleiniges Vorrecht der Jugend sei, sondern auch zum hohen Alter gehöre.
Aber was ist überhaupt „Alter“? Letztlich ist Alter ein relativer Begriff. Am 30. September fand in Erfurt eine Fachtagung der Thüringer Landesseniorenvertretung zum Thema „Der Alltag von hochaltrigen Menschen: Teilhabegefährdungen und –chancen“ statt. Zu den Vortragenden gehörte auch Herr Joseph Hinke, ein 99-Jähriger aus Saalfeld, der über seine Lebenserfahrungen und Aktivitäten berichtete. Er lebt in einer betreuten Wohnform in der Nachbarschaft eines Pflegeheims und betonte, dass er „noch nicht zu den alten Leuten“ im Pflegeheim gehöre.
„Alte, die immer aktiver werden“ – den Anfang des mir gestellten Vortragsthemas würde Herr Hinke vielleicht so gar nicht für sich gelten lassen, denn alt sind für ihn jene, die keine Aktivitäten mehr entfalten und nur noch passiv dahinleben.
Aber auch, wenn man nicht nach dem Grad der aktiven Lebensgestaltung, sondern nach den tatsächlichen Lebensjahren fragt, bleibt für die größte Spanne der Lebenszeit Alter etwas Relatives.
Egal in welcher Generation man die Frage stellt, wer für alt gehalten wird, liegt der Altershorizont durchgängig etwas zwanzig Jahre entfernt. So ist für einen 15-Jährigen ein 35-Jähriger alt und für einen 75-Jährigen ein 95-Jähriger.
Der Generali Zukunftsfonds wollte es genauer wissen und hat 2013 in seiner Altersstudie zur Lebenswelt der 65- bis 85-Jährigen auch gefragt, ob man sich selbst für alt hält. Das Ergebnis lautete: 58 % der Befragten würden sich selbst nicht als „alte“ Menschen bezeichnen. Fragte man allein die 65- bis 75-Jährigen, sind es sogar 67 %.
1997 starb in Frankreich im Alter von 122 Jahren die erste und bisher weltweit einzige Frau, für welche zweifelsfrei dokumentiert werden konnte, dass sie älter als 120 Jahre geworden ist. In hundert Jahren dürfte sie vermutlich größere Gesellschaft bekommen haben und vielleicht werden im Jahr 2114 dann 100-Jährige entsprechend der genannten „20-Jahre“-Regel die über 120-Jährigen und nicht sich selbst für alt halten. Übrigens gibt es Bevölkerungsforscher, die davon ausgehen, dass bereits ein Viertel der jetzt geborenen Mädchen 100 Jahre alt werden.
Heute leben in Deutschland über 14.000 Menschen, die 100 Jahre und älter sind, davon rund 280 in Thüringen. Die Zahl der über 100-Jährigen hat sich in den letzten 30 Jahren in Deutschland etwa verzehnfacht.
Wer jetzt in Thüringen 100 Jahre alt wird, und wer dem Einwohnermeldeamt die Weitergabe dieser Information und der Kontaktdaten nicht untersagt hat, bekommt auch ein Glückwunschschreiben aus der Staatskanzlei.
Im letzten Jahr gratulierte die Thüringer Ministerpräsidentin 135 Thüringerinnen und Thüringern zu ihrem 100. und zwei weiteren bereits zu ihrem 107. Geburtstag. Eine der beiden, Gerda-Marie Becker, feierte als älteste Thüringerin am 14. April 2014 in Gotha bereits ihren 108. Geburtstag. Auch sie muss trotz ihres hohen Alters relativ aktiv sein, denn sie lebt noch allein in ihrer Wohnung in der Gothaer Innenstadt.
„Alte, die immer aktiver werden“ – das kann auch so aussehen, wie bei Johanna Quaas aus Halle. Das Bild zeigt sie bei einem Wettkampf in Cottbus vor zwei Jahren. Dabei erstellte Videos erreichten bei YouTube binnen kürzester Zeit mehrere Millionen Aufrufe und bescherten ihr einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde als „älteste Turnerin der Welt“.
Aktiv im Alter umfasst aber mehr als in Bewegung bleiben. Die schon erwähnte Altersstudie von Generalie fragte auch nach ehrenamtlichen Aktivitäten. Danach engagieren sich 45 Prozent der befragten 65- bis 85-Jährigen in mindestens einem von elf gesellschaftlichen Bereichen. Selbst unter den 80- bis 85-Jährigen der Befragten sind es immer noch 29 Prozent. Schwerpunkte des Engagements stellen die Kirche, Freizeit und Geselligkeit, Sport und Bewegung, Kultur und Musik sowie soziale Bereiche dar, in denen sich jeweils zwischen 10 und 15 % der 65- bis 85-Jährigen engagieren.
Der zeitliche Umfang des aktuell geleisteten Engagements liegt durchschnittlich bei 4,2 Stunden pro Woche. Immerhin 32 % der Engagierten haben sich vorher nicht so stark, 23 % sogar gar nicht engagiert – und wurden erst im Alter aktiv. Dennoch bleib es der beste Einstieg in ein aktives Alter, wenn man sich vor dem Rentenalter nicht einzig und allein auf den Beruf beschränkt hat.
Nach allen bekannten Erhebungen geht es der heutigen Rentnergeneration so gut, wie keiner zuvor. Sie ist aktiver, gesünder, wohlhabender als je zuvor. Der Blick darauf, wer alt ist, hat sich sehr verändert.
Wenn man alte Darstellungen der Lebensstufen betrachtet, dann sieht man, dass das Bild des Alters früher vor allem von Verlust und Gebrechen gekennzeichnet war.
Heute unterteilt man das Alter in zwei getrennte Abschnitte. Nach den früheren jungen, mittleren und alten Lebensabschnitten wurde ein viertes Lebensalter eingeführt, das der Hochaltrigen, welches man je nach Einteilung mit 80 oder 85 Jahren beginnen lässt.
Davor liegt das Lebensalter der sogenannten „Jungen Alten“, die von Marketingstrategen als neue, wichtige Konsumentengruppe entdeckt noch mit vielen weiteren schönen Namen bedacht werden, wie „Best Ager“, „Golden Ager“, „Silver Surfer“, „Master Consumer“, „Senior Citiziens“ oder „Woopies“.
Nun kann man natürlich darüber lamentieren, dass es Senioren heute vielleicht schwerer gemacht wird in Würde zu altern, aber insgesamt sollte doch die Entwicklung, dass immer mehr Menschen das Rentenalter erreichen und für viele Jahre bei guter Gesundheit verbringen ein Grund zur Freude sein.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Chancen dafür schlechter standen. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland hat sich in den hundert Jahren von 1850 bis 1950 von 45 Jahren auf 70 Jahre verdoppelt – vor allem durch das Sinken der Kindersterblichkeit – und hat sich bis 2011 auf 85 Jahre erhöht.
Das Unwort des Jahres 1996 war der Begriff „Rentnerschwemme“. Da fehlt nur noch die „freundliche“ Bemerkung über das „sozial verträgliche Frühableben“. Aber das Problem unserer Gesellschaft, vor dem wir jetzt und die nächsten Jahre stehen, ist nicht die „Überalterung“ – für mich auch ein Unwort –, sondern die Unterjüngung.
Ein Vergleich des Altersaufbaus der Thüringer Bevölkerung zwischen den Jahren 2010 und 2020 zeigt dies sehr anschaulich.
Nach den vorliegenden Bevölkerungsvorausberechnungen wird sich die Einwohnerzahl Thüringens in den hundert Jahren von 1950 bis 2050 annähernd halbiert haben, von ehemals 2.932.242 auf dann 1.538.200. Bis zum Jahr 2030 wird Thüringen rund 400.000 Einwohner verlieren, das entspricht etwa minus 18 Prozent. Dabei verläuft die Entwicklung regional betrachtet sehr unterschiedlich. Nach den gegenwärtigen Prognosen kann in Jena mit +5% und in Erfurt mit +2%gerechnet werden, in Gera jedoch mit -22% und im Landkreis Greiz mit -32%.
Früher sprach man beim Bevölkerungsaufbau von einer Pyramide, dann eher von der Form einer Glocke oder eines Bienenstocks, später von einer Urne und inzwischen könnte man in Thüringen auch das Bild einer Bohnenstange bemühen.
Die Veränderungen des Bevölkerungsaufbaus für das Land Thüringen in den Jahren 2010 bis 2060 zeigen anschaulich, wie sich im Lauf der Jahrzehnte die Form verändert. Am Bevölkerungsaufbau 2010 kann man sehr gut die Einschnitte durch den Zweiten Weltkrieg, den Pillenknick und die demografische Vollbremsung Anfang der 90er Jahre erkennen. Im Vergleich der Jahrzehnte ist zu sehen, wie sich der letztere Einschnitt immer weiter nach oben schiebt.
Wie sich die Gewichte der Altersgruppen verschieben, lässt sich auch an deren prozentualer Verteilung in einer Darstellung des Zeitraums von 1871 bis 2050 zeigen. Näherte sich der Anteil der Generationen unter 20 Jahren Ende des 19. Jahrhunderts 50 Prozent, wird er 2050 nur noch um die 15 Prozent betragen, während sich der Anteil der über 65-Jährigen von 6 auf über 30 Prozent steigern wird.
Betrachtet man diese Entwicklung nur für die neuen Bundesländer und vergleicht sie mit den alten Bundesländern zeigen sich zwar in den neuen Bundesländern die stärkeren Veränderungen, aber sie verlaufen doch auf längere Sicht sehr ähnlich. Vergleicht man nur die Thüringer Zahlen mit denen des gesamten Bundesgebietes zeigt sich ein ähnliches Bild, Thüringen scheint der gesamtdeutschen Entwicklung nur bereits etwas voraus zu sein.
Wenn man sich die Thüringer Zahlen auf den Migrationshintergrund hin an ansieht, könnte man sich eine positive Auswirkung erhoffen. Allerdings sind dazu deren absolute Zahlen noch zu gering. So macht bei Migranten der Anteil der über 65-Jährigen nur etwa ein Drittel das Anteils der sonstigen Thüringer Senioren aus, aber die Auswirkung liegt bei einer Absenkung von gerade einmal 0,2 Prozent und der Anteil der unter 18-Jähringen erhöht sich durch junge Migranten nur um 0,4 Prozent.
Schaut man sich dann noch die schulische Situation und die Integration von Migranten insgesamt an, wäre das ein Thema für einen eigenen Vortrag. Hier bleibt noch sehr viel zu tun.
Hier noch ein paar Zahlen zur demografischen Situation in Thüringen. Von 1990 bis 2010 erhöhte sich das Durchschnittsalter in Thüringen um rund 8 Jahre. Am 31.12.2011 waren 514.459 Thüringer, 23 % der Bevölkerung, älter als 65 Jahre. Bis 2020 wird der Anteil auf 35 % steigen, bei 10 % Rückgang der Gesamtbevölkerung. Bis 2030 wird der Anteil auf 37 % steigen, bei dann mehr als 650.000 Thüringern, die älter als 65 Jahre sind. Die Zahl der über 80jährigen wird von 124.545 auf mehr als 189.000 steigen.
Auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Jahren werden im Jahr 2030 die Zahl von rund 70 Personen über 65 Jahre entfallen. Etwas verkürzt und gerundet könnte man sagen, stehen heute 10 Erwerbsfähigen 3 Rentner gegenüber, so werden es im Jahr 2030 in Thüringen 7 Rentner sein. Von 2005 zu 2020 wird ein Rückgang der Erwerbspersonen um 19,4 Prozent prognostiziert.
Wäre Thüringen ein selbständiges Land, hätten wir ein erhebliches Problem mit fehlenden Einzahlern in die Rentenkassen. Zum Glück ist die Rentenversicherung nicht in föderaler Zuständigkeit wie Schulwesen oder die Polizei, aber dennoch wird sich die Situation der Thüringer Rentner aufgrund der vielen zum Teil mehrfach gebrochenen Erwerbsbiographien der letzten 25 Jahre im Lauf der nächsten Jahre insgesamt nicht verbessern.
Und anders als in alten Bundesländern kann nicht in größerem Maße auf erworbene Vermögen zur Alterssicherung zurückgegriffen werden. Die unterschiedlichen Möglichkeiten des Vermögensaufbaus in den 40 Jahren der Teilung zeigen sich sehr deutlich am Aufkommen der Erbschaftssteuer. Hier sind die Unterschiede nach wie vor drastisch und mit einer raschen Angleichung in absehbarer Zeit dürfte eher nicht zu rechnen sein.
Apropos Geld. Auch auf die öffentlichen Finanzen wirkt sich der demografische Wandel in starkem Maße aus. Die Finanzmittelausstattung des Freistaats Thüringen wird 2020 im Vergleich zum Jahr 2011 nur noch rund 83 Prozent betragen. In Abhängigkeit vom gesamtdeutschen Steueraufkommen verliert Thüringen mit jedem Einwohner rd. 2.500 Euro. Der skizzierte Einwohnerrückgang in Thüringen führt damit pro Jahr zu Mindereinnahmen von 50 Mio. Euro. Die neuen Länder sind ab 2014 nicht mehr Ziel-1-Gebiet der EU-Förderung. Der Solidarpakt II wird 2019 auslaufen. 2012 hat Thüringen daraus noch 1,3 Mrd. Euro erhalten. Bei einem Gesamtlandeshaushalt von knapp 9 Mrd. Euro sind dies rund 14% der Einnahmen gewesen. Um die gesetzlich eingeführte Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 einzuhalten, muss das Haushaltsvolumen bereits jetzt reduziert werden.
Was bedeutet das für die öffentliche Verwaltung? Bei einem Gesamtlandeshaushalt von knapp 9 Mrd. Euro machen allein die Personalausgaben 2,3 Mrd. Euro aus.
Also muss die Anzahl der Mitarbeiter und der Umfang der Verwaltungsstrukturen weiter abgesenkt werden. Dabei ist aber eine leistungsfähige Verwaltung zu erhalten, die weiter die erforderlichen Dienstleistungen für Bürger und Wirtschaft in der notwendigen Qualität erbringt (Siehe z.B. Lebensmittelsicherheit und Seuchenschutz). Den größten Anteil am Personalbestand des Landes haben Polizisten und die Lehrer der staatlichen Schulen, deren Anzahl nicht beliebig verringert werden kann.
Eine der großen Gefahren des demografischen Wandels ist eine Schrumpfungsspirale, die wir in Teilen des ländlichen Raumes schon beobachten können, in die wir aber als gesamtes Land nicht hinein geraten dürfen. Senken wir das Niveau der öffentlichen Infrastruktur, zu der auch Innere Sicherheit und Schullandschaft gehören, ab, so sinkt die Attraktivität, die Gefahr der Abwanderung steigt und Zuzug stellt sich eher nicht ein.
„… Junge, die es wegzieht“ – stand im Thema, das sie mir gestellt haben. Nun, das ist zum Glück nicht mehr in dem Maße ein Thema, wie es das Anfang und Mitte der Neunziger Jahre war. An den Wanderungssalden der letzten acht Jahre ist zu sehen, dass die Gefahr des Aussterbens der Thüringer durch Abwanderung doch deutlich gesunken ist, ja das wir im letzten Jahr sogar erstmalig, wenn auch nur minimal, in den positiven Bereich gelangt sind. (2013 insgesamt: 43.471 Fortzüge, 43.623 Zuzüge)
Nun, wenn wir an diesem Punkt in die Diskussion einsteigen würden, gäbe es sicher unter Ihnen welche, die mir entgegen halten würden, dass Sie diesen oder jenen bestens ausgebildeten jungen Menschen kennen, der Thüringen verlassen hat und sein Glück woanders sucht. Sicher gibt es das und Sie sehen ja auch in der Statistik, dass die Gruppe der 25- bis 30-Jährigen bei der Abwanderung am stärksten vertreten ist. Im letzten Jahr betrug der Saldo minus 1.712 Personen. Er kommt dadurch zustande, dass 10.120 Personen in diesem Alter aus Thüringen fortzogen und nur 8.408 zuzogen.
Dies dürfte dadurch zustande kommen, dass ein Teil derjenigen die ihr Studium in Thüringen beenden, aus anderen Bundesländern stammen, aber auch dadurch dass Thüringer Absolventen neue Perspektiven außerhalb Thüringens suchen. Wir wollen und können sie nicht zwingen hier zu bleiben. Die Zeiten von Mauer und Stacheldraht, von Absolventenlenkung und Unterbindung des Arbeitsplatzwechsels sind vorbei. Ja es sollte zur Normalität gehören, dass junge Menschen an vielen Orten außerhalb Thüringens ihre Erfahrungen sammeln können.
Entscheidend ist aus meiner Sicht nur, dass sich Thüringen so attraktiv entwickelt, dass sie früher oder später nach Thüringen zurückkommen wollen. Am besten eher früher, denn wenn zum Beispiel junge Frauen erst einmal anderswo Familien gegründet haben, sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine Rückkehr deutlich.
Im Thema, das mir für meinen Vortrag gestellt wurde heißt es: „Welche Projekte brauchen wir?“ Nun Projekte sind schön und gut, denn sie zeigen, was man machen könnte, wenn man denn nur Geld und Personal hätte. Aber viel entscheidender für die demografische Entwicklung Thüringens als einzelne Projekte ist die Wirtschaftspolitik. Viele junge Menschen bleiben nur in Thüringen oder kommen hierher, wenn sie die Aussicht auf einen attraktiven Arbeitsplatz haben. Auf den drastischen Produktionsrückgang in den Jahren 1990/91, in dessen Folge bis zum Jahr 1992 etwa jeder zweite Industriebeschäftigte seinen Arbeitsplatz verlor, folgte ab Mitte der 1990er Jahre eine bis heute anhaltende Aufwärtsentwicklung. Thüringen verfügt heute über eine breit aufgestellte, mittelständisch geprägte Industrie mit Branchen wie die Optik, Medizintechnik, Automobil- und Automobilzulieferindustrie, Maschinenbau, Logistik, Metallverarbeitung, das Ernährungsgewerbe sowie die Gummi- und Kunststoffindustrie. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus.
In Thüringen gibt es in den Industrie-Branchen rund 90.000 Unternehmen. Sie konzentrieren sich auch nicht auf wenige Standorte. In den Städten Erfurt, Weimar und Jena sind nur 11 % der Thüringer Industriebeschäftigten tätig, also sind es immerhin 89 % in anderen Thüringer Regionen, zum Beispiel im sich stark entwickelnden Südthüringen oder in der Region um Rudolstadt, Saalfeld und Ilmenau.
Die Thüringer Wirtschaft ist in besonderer Weise durch kleine und mittlere Betriebe geprägt. Der Umsatzanteil von kleinen und mittelständigen Unternehmen (KMU) liegt in Thüringen bei 76 % und ist damit mehr als doppelt so hoch wie im gesamtdeutschen Durchschnitt von 37 % (Durchschnitt der neuen Länder: 59 %). Dies hat zwar die Vorteile der großen Flexibilität und schnellen Reaktion auf Marktbewegungen, aber auch strukturbedingte Nachteile, wie z. B. tendenziell höhere Produktionskosten, zu wenig Forschung und Entwicklung, Probleme bei der Erschließung neuer Märkte und bei der Gewinnung von Fachkräften, häufig eine geringe Eigenkapitalausstattung und geringe Marktmacht bei der Preisgestaltung.
Thüringen benötigt mittelfristig mehr Großunternehmen, entweder dadurch dass sich Thüringer KMU zu solchen entwickeln oder sich externe Großunternehmen in Thüringen ansiedeln.
Die Thüringer Erwerbstätigenquote, bezogen auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 15 bis unter 65 Jahre, liegt seit 1997 ständig über dem ostdeutschen Durchschnitt, seit 2009 auch über dem westdeutschen Durchschnitt.
Zum Stichtag 31.12.2012 war sie höchste in ganz Deutschland. Im letzten Jahr hatte Thüringen rund 137.000 Industriebeschäftigte. Im Sektor der unternehmensnahen Dienstleistungen nahm die Zahl der Erwerbstätigen auf knapp 150.000 zu. Ähnlich hoch ist mit 144.000 die Beschäftigtenzahl im Handwerk, das traditionell eine tragende Säule der Thüringer Wirtschaft mit hoher beschäftigungspolitischer Bedeutung ist. In Thüringen gab es 2010 knapp 31.900 Handwerksbetriebe.
Bei der Betriebsdichte im Bereich des Handwerks, die die Zahl der Betriebe mit der Bevölkerungszahl in Beziehung setzt, gehört der Freistaat seit vielen Jahren zur Spitzengruppe der Länder.
Bei den Ausbildungsplätzen gab es in Thüringen lange Zeit ein Defizit. In den Jahren 2009 und 2010 deckten sich Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen nahezu. Seit 2011 haben wir zu wenig Nachfrage, es bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Wir hatten in Thüringen lange Zeit einen starren Arbeitsmarkt. Wegen der massiven Frühverrentung gab es nur noch geringe laufende Verrentung, also wenig Ersatzbedarf. Es gab wenig Fluktuation und auch wenig Erweiterungsbedarf.
Dies ändert sich jetzt grundlegend.
Nach den vorliegenden Prognosen scheiden bis 2026 etwa 502.000 Personen im Land altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt aus, die Altersgruppe der heute 50- bis 64-Jährigen, während nur rund 236.000 nachrücken, die Altersgruppe der heute 3- bis 18-Jährigen), wodurch – lässt man Wanderungseffekte außen vor – eine Lücke von rund 266.000 Erwerbsfähigen entstünde, die die Zahl der Arbeitslosen um ein Vielfaches übersteigt.
Daher stellt die Gewinnung von Zuwanderern im Wettbewerb mit anderen Regionen in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderung für die Thüringer Wirtschaft dar. In Thüringen werden nach wie vor vergleichsweise niedrige Löhne und Gehälter gezahlt. Einkommenssteigerungen werden aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Wettbewerbs um Fachkräfte notwendig sein. Einkommenssteigerungen wirken gleichzeitig der weiteren Abwanderung entgegen.
Thüringen hat die Chance, über Weichenstellungen am Arbeitsmarkt die Herausforderungen der Bevölkerungsentwicklung teilweise zu kompensieren.
Neben der besseren Erschließung des vorhandenen Potenzials bilden der Zuzug von Erwerbspersonen aus anderen Ländern und das Zurückgewinnen von Pendlern und Fortgezogenen wichtige Ressourcen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Unternehmen in Thüringen attraktive Arbeitsplätze und ein gutes Entlohnungsniveau bieten.
Wichtig für die demografische Entwicklung ist natürlich auch die Familienpolitik. Ich denke hier beispielsweise an familienbewusste Arbeitszeiten, weitere Flexibilisierungen der Elternzeit, den Ausbau der Kinderbetreuung durch Kindertagesstätten und Tagesmütter, die Unterstützung durch lokale Bündnisse für Familie und die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen. Aber auch an dieser Stelle will ich noch einmal auf die wirtschaftliche Situation zurückkommen, denn an der Zahl der Kinder pro Familie zeigt sich sehr deutlich, dass die allgemeinen Maßnahmen der Familienpolitik dennoch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Betrachtet man die Haushaltseinkommen von Familien mit mehr als zwei Kindern ergibt sich eine U-Form. Solange für junge Familien, die nicht auf Sozialleistungen angewiesen bleiben wollen, ein Einkommen nicht ausreicht und eine junge Frau sich Sorgen machen muss, ob und wie sie nach einer Auszeit wieder beruflich einsteigen kann, wird sich hier nichts ändern.
Veränderungen in Bevölkerungszahl und -struktur verlangen auch eine Weiterentwicklung des Bildungssystems. Dazu gehören die Ausrichtung des Schulwesens auf die Anforderungen der Wissensgesellschaft durch moderne Lehr- und Lernmethoden und soziale Integration, die Qualifizierung und Berufsorientierung, attraktive Hochschulen sowie die weitere Verankerung des lebenslangen Lernens.
Lokale demografische Abwärtsspiralen setzen nicht selten mit einer Schulschließung ein, denn junge Familien bevorzugen Schulstandorte. Um weiterhin eine wohnortnahe Beschulung zu gewährleisten, muss auch darüber nachgedacht werden, den Unterricht jahrgangsgemischt und in Kooperation von mehreren Grundschulen zu organisieren.
Die altersgemischte Schuleingangsphase, in der Schüler aus mehreren Jahrgängen einer Grundschule gemeinsam in einer Klasse lernen, bietet dafür eine Möglichkeit.
Um dem steigenden Altersdurchschnitt der Lehrerkollegien entgegenzuwirken und vor allem um erfolgreichen Lehramtsanwärtern eine berufliche Perspektive in Thüringen zu bieten, muss die Zahl der neu eingestellten Lehrer erhöht worden. Für Lehrer ergibt sich in den nächsten zehn Jahren ein Ersatzbedarf von über 38 %.
Ein weiterer Punkt bei der Frage nach Antworten auf den demografischen Wandel ist der Wohnungsbau. Die Siedlungsentwicklung in Thüringen verläuft sehr unterschiedlich. In Regionen mit abnehmender Bevölkerung steigt die Anzahl an Baulücken und nicht genutzten Grundstücken. Die fehlende Nutzung leerstehender Immobilien bereitet hier Probleme.
Senioren werden nach seniorengerechten Wohnungen fragen. Gerade für ältere Menschen, aber auch für junge Familien mit Kindern werden Innenstädte bzw. Ortskerne mit ihren fußläufig erreichbaren Infrastruktur- und Dienstleistungsangeboten immer wichtiger.
Fehlendes Eigenkapital der Hausbesitzer steht aber in vielen Fällen der Sanierung der alten Gebäude entgegen, so dass sich das Angebot an geeignetem Wohnraum in den Innenstädten trotz bestehender Nachfrage nur langsam erhöht.
Für die Städte entstehen aus dieser Situation entspannte Wohnungsmärkte auf der einen sowie Verdrängungstendenzen auf Grund hoher Mieten auf der anderen Seite.
Die Kommunen stehen vor der Aufgabe, hier zukunftsfähige Ansätze sowohl für die Innenstädte als auch für die großen Neubaugebiete zu finden. Dazu gehören Konzepte zu seniorengerechtem, zu barrierefreiem bzw. barrierearmen und generationsübergreifenden Bauen, zur Nutzungsmischung bis hin zur Wiedernutzung von Gebäuden und Brachflächen in innerstädtischen Bereichen.
Wie sieht es mit den Wohnwünschen von Senioren aus? Eine entsprechende Studie zeigt, dass die Senioren-WG eher nicht der Wunschtraum der meisten ist, obwohl es prominente Fürsprecher dafür gibt. Henning Scherf wirbt in seinem Buch auch für die Alten-WG. Über weiter gemeinschaftliche Wohnformen in Thüringen kann man sich beim WohnStrategen e.V. in Weimar informieren.
Die vorletzte Nennung der Übersicht war etwas missverständlich, denn unter einem Mehrgenerationenhaus wird nach dem gleichnamigen Bundesprogramm ein Begegnungszentrum verstanden. Der andere Begriff dafür wäre Generationswohnen wie es zum Beispiel in Arnstadt gibt.
Zum Jahreswechsel 2009/2010 zogen etwa 90 Menschen in das erste gemeinschaftlich orientierte Mietwohnprojekt dieser Dimension in Thüringen ein.
Bei der Frage, wie man das Leben im Alter gestalten kann, gibt es natürlich Unterschiede zwischen Stadt und Land. Hier stellvertretend zwei Beispiele einmal aus Erfurt. In der Nähe des Zooparks, im sogenannten Giraffenhaus wurden die acht Wohnungen der 7. Etage in sieben barrierearme Wohnungen umgebaut. Es wurden der Grundriss verändert, bodengleiche Duschen, höhenverstellbares WCs sowie Notrufanlagen mit zwei Bedienstellen im Schlafzimmer und Bad eingebaut, der Balkonaustritt barrierearm gestaltet ein Gemeinschaftsraum eingerichtet.
Im Unstrut-Hainich-Kreis hingegen hat man ausreichend Platz um ebenerdig seniorengerechten Wohnraum zu gestalten. Hier war die Grundidee, dass die Senioren dafür ihre ehemaligen Immobilien in eine Stiftung einbringen, damit sie von jungen Familien genutzt werden können.
In der Übersicht nicht aufgeführt war ein Seniorenheim, wie es z.B. der ältere Bruder unseres ehemaligen Ministerpräsidenten bewohnt. In Thüringen wohnen nur 3 Prozent der über 60-Jährigen in einem Heim. Aber auch hier gibt es in Thüringen interessante Vorhaben, wie in Tambach-Dietharz, mit der Kombination verschiedener Wohnformen, oder in Kahla, wo die Gestaltung in bemerkenswerter Weise auf demente Bewohner eingestellt ist.
Damit sind wir bei einem weiteren Thema, der Pflegesituation in Thüringen angekommen, womit allein sich ein längerer Vortrag bestreiten ließe. Hier nur soviel, dass sich natürlich auch die Situation in der Pflege verändern wird. Die Zahlen werden steigen. Und der Anteil häuslicher Pflege wird sinken. Zwischen 1999 und 2011 hat eine signifikante Verschiebung des Verhältnisses informeller Pflege, Selbstpflege und Pflege durch Angehörige, und formeller Pflege, berufliche bzw. professionelle Pflege, stattgefunden:
Die Anzahl von Empfängern von ausschließlich Pflegegeld ist im genannten Zeitraum zwar von 33.825 auf 40.135 deutlich angestiegen, allerdings ist deren Anteil an allen Pflegebedürftigen von 56,1 % auf 47,8 % zurückgegangen
Der Grund dafür ist einfach zu finden: Die Anzahl an 20 bis 60-Jährigen Frauen, welche die Hauptlast der Angehörigenpflege tragen, sinkt von 592.000 im Jahr 2012 auf 370.000 im Jahr 2030, was einem Rückgang von 37 % entspricht.
Der Anteil an Singlehaushalten ist in Thüringen zwischen 2005 und 2012 von 37 % auf 39 % angewachsen.
Interessant wird sein, ob mittelfristig die Gründe gegen oder für mehr häusliche Pflege überwiegen. Aber natürlich muss sich auch in der beruflichen Pflege in Thüringen noch etwas tun, wie unschwer zu sehen ist. Auf die Frage, wie reagieren wir auf die Verschiebung der Altersstruktur der Generationen, auf den demografischen Wandel, habe ich jetzt etwas zu den Öffentlichen Finanzen, zu Verwaltung, Wirtschaft, Familien, Bildung, Wohnen und Pflege gesagt. Es ist also ein sehr breites Feld, in dem in allen Bereichen reagiert werden muss. Trotzdem ist es wichtig, die verschiedenen Themen auch zusammenzufassen und dafür entsprechende Strukturen zu schaffen.
Vor zehn Jahren, im Jahr 2004 wurde die interministeriellen Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ eingerichtet. Im Jahr 2011 wurde im Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr die „Serviceagentur Demografischer Wandel“ etabliert, welche unter anderem zu diesem Thema auch Beratung anbietet. 2011 wurde auch der erste Teil des Thüringer Demografieberichts veröffentlicht und begonnen sich an der Mitteldeutschen Demografieinitiative zu beteiligen.
Im Jahr 2012 folgten die Teile 2 und 3 des Demografieberichts, speziell zu den Themen Schwerpunkte der Daseinsvorsorge, Fachkräfteperspektive und Entwicklung des Schulsystems. Ebenfalls in diesem Jahr wurde im Geschäftsbereich des Innenministeriums das „Thüringer Zentrum für interkommunale Kooperation“ ins Leben gerufen. Wie bereits erwähnt, verläuft die Bevölkerungsentwicklung in Kreisen und Gemeinden sehr unterschieldlich, Schrumpfung und Wachstum liegen häufig dicht beieinander. Daher sind kleinräumige Betrachtungen und lokale Strategien erforderlich. Vor diesem Hintergrund sind Beratung und Service für Kommunen Kernanliegen des „Thüringer Zentrum für interkommunale Kooperation“. Im letzten Jahr wurde begonnen eine sogenannte Demografiestrategie zu erarbeiten.
Wo gegen wir uns in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion um die demografische Entwicklung wehren müssen, sind Klischees vom Alter, die vom Thema Demenz beherrscht werden. Es ist ein neues gesellschaftliches Verständnis vom „Alter“ notwendig.
Das bisher in unserer Gesellschaft überwiegende Bild des Alterns verbunden mit Defiziten und Belastungen muss durch ein Bild von Potenzialen und Chancen abgelöst werden. Dazu muss es natürlich auch Gelegenheiten geben, wo diese genutzt werden können. Und hier komme ich am Ende meines Vortrages doch noch auf drei Projekte zu sprechen.
Orte der gesellschaftlichen Teilhabe können Mehrgenerationenhäuser sein.
Mehrgenerationenhäuser schaffen generationenübergreifende Angebote und verfolgen damit die Wiederbelebung einer bürgerschaftlichen, generationenübergreifenden Struktur. Hier begegnen sich Jung und Alt in einem öffentlichen Raum in ihrer Nachbarschaft und profitieren von ihren unterschiedlichen Kompetenzen, Erfahrungen und Interessen. Mehrgenerationenhäuser haben sich zu Plattformen für Freiwilliges Engagement entwickelt. Mehrgenerationenhäuser können auf einer niedrigschwelligen Ebene Angehörige aller Generationen attraktiv und zugänglich wirken. In der zweiten Programmphase des Bundesaktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser sind die Themenschwerpunkte „Alter und Pflege“, „Integration und Bildung“’, „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ und „Freiwilliges Engagement“. Sie können damit eine wichtige Funktion in der sozialen Infrastruktur von Kommunen erfüllen.
Zurzeit gibt es in Thüringen 25 Mehrgenerationenhäuser. Eine zweite Möglichkeit sich zu engagieren ist der Bundesfreiwilligendienst, bei welchem die unterschiedliche Altersstruktur zwischen den neuen und den alten Bundesländern auffällt. Aufgrund der anderen Erwerbsbiographien sind der Wille und die Bereitschaft sich in diesem Rahmen zu engagieren unter den älteren Jahrgängen in neuen Bundesländern deutlich ausgeprägter. Hier sind besonders viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu finden. Wobei der Bundesfreiwilligendienst allerdings nicht als arbeitsmarktpolitische Maßnahme missverstanden werden darf, das geben schon die absoluten Zahlen nicht her.
Von den 2.687 Thüringer Bundesfreiwilligen im September sind 91 bereits über 65 Jahre. Gäbe es die Möglichkeit weniger als 20 Wochenstunden zu leisten, wie dies im Freiwilligendienst aller Generationen der Fall war, könnte diese Zahl sicher noch höher sein. Zuletzt möchte ich noch auf eine dritte Möglichkeit des Engagements im Alter zu sprechen kommen, die man auch mit der sogenannten Großmutterhypothese in Zusammenhang bringen kann.
Evolutionsbiologen haben auf die Frage, warum Frauen eigentlich noch so lange weiterleben, obwohl sie ab einem bestimmen Alter keine Nachkommen mehr in die Welt setzen, die Antwort gegeben, dass sich für den Erfolg der gesamten menschlichen Population die Unterstützung bei der Aufzucht der Enkelgeneration viel bezahlter gemacht hat. Zumal menschliche Kleinkinder durch die Art ihrer Hirnentwicklung extrem lang unselbständig und pflegebedürftig sind.
So gesehen wären die Evolution der Großmutter und die Evolution des großen menschlichen Gehirns eng miteinander verknüpft. Sorge für die Enkel kann etwas sehr Schönes sein, aber auch anstrengend. Jedenfalls sieht diese ältere Dame etwas erholungsbedürftig aus.
Aber auch in Deutschland sind die Zeiten, in denen sich Großmütter im wahrsten Sinne des Wortes für ihre Nachkommen krumm gemacht haben, noch nicht lange vorbei, wie dieses Bild „Der erste Schnee“ von Ludwig Richter zeigt.
Bei den Beziehungen der Generationen geht es bei Menschen aber nicht nur um die Sicherung des nackten Überlebens, sondern auch um die Weitergabe der kulturellen Leistungen. Ohne die kulturelle Evolution wären die Menschen in evolutionsgeschichtlich so kurzer Zeit nicht zur dominierenden Lebensform auf der Erde geworden.
Nun kann heute jeder sagen, durch mein Arbeitsleben habe ich meinen Beitrag für die Sicherung des Lebens der nächsten Generation und für die Erhaltung der menschlichen Kultur bereits geleistet und kann jetzt meinen Lebensabend frei von weiteren Verpflichtungen genießen.
Aber vielleicht kann zu diesem Genießen auch gehören, seine Erfahrungen und sein Wissen an Kinder weiterzugeben. Wenn eigene Enkel nicht da oder nicht in der Nähe sind, kann man das auch in sogenannten Großelterndiensten tun. Das erste deutschlandweite Treffen von Großelterndiensten vor zwei Jahren in Erfurt konnte durch die Unterstützung mit Fördermitteln aus meinem Zuständigkeitsbereich zustande kommen.
Jetzt war so viel von Großmüttern die Rede, aber ich möchte die Großväter nicht diskriminieren. In Großelterndiensten sind natürlich auch Großväter herzlich willkommen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!